Nichts
woran ich mich
erinnern wollen würde
Donnerstag, 31. Oktober 2013
Dienstag, 29. Oktober 2013
Immer noch Herbst
Glück kann man nicht kaufen?
Ich sitze in derselben Buslinie wie jeden Morgen.
Es ist ein grauer, verregneter
Herbsttag.
Geschlafen habe ich in den letzten
Wochen genauso wenig wie gegessen und anscheinend haben meine
Gedanken mir endgültig den Krieg erklärt.
Alle zwei Sekunden fasse ich mir
aus Angst, es könnte unbemerkt Blut rauslaufen, an die Nase.
Gott, sind meine Finger weiß.
Aber immerhin schön lang und dürr.
Wie ein paar kahle, knochige Bäume auf einem schneebedeckten Hügel inmitten einer verträumten Tim
Burton Winterlandschaft, irgendwo im Nirgendwo.
Als ich aus dem Fenster schaue,
sehe ich einen Obdachlosen mit einer Zeitung in der Hand auf einen
jungen Mann zuschlendern.
Der junge Mann sieht trostlos aus,
leer, eingefallen.
Aber vielleicht ist das auch
einfach nur mein verzerrtes Spiegelbild in der beschmierten Fensterscheibe.
Der Mann und der Obdachlose blicken
sich kurz in die Augen, doch der Mann schüttelt den Kopf und der
Obdachlose und seine Zeitung ziehen weiter.
Die Miene des jungen Mannes
verfinstert sich.
Als ich die Augen angestrengt
zusammenkneife, sieht es so aus, als würde sein Gesicht schmelzen
und Teile davon nach und nach auf den dreckigen, grauen Bordstein
tropfen.
Aber vielleicht sind das auch
einfach nur Regentropfen, die die verschmierte Scheibe hinunterlaufen
und dann am Boden zerschellen.
Vielleicht ist es mir auch einfach
egal.
Ein paar Meter weiter steht eine hübsche Frau mit langen, dunkelbraunen Haaren, in einem gelben
Sommerkleid mit orangefarbenen Punkten drauf.
Was für ein lächerlicher Kontrast
zur sonst so tristen Bahnhofsgegend.
Meine Augen beginnen zu
brennen und durch den dumpfen Schmerz fühlt es sich an, als würde mir heißes Blut aus den Ohren tropfen.
Als ich die Hand, die gerade noch
den imaginären Blutfluss an meinem linken Nasenloch kontrollierte,
hysterisch an mein rechtes Ohr lege, sehe ich, wie der Obdachlose
beginnt, seinen stinkenden, verkrüppelten Körper in Richtung der
Frau zu bewegen.
Sie lächelt freundlich, nimmt
sogar die Kopfhörer ab.
Doch als sie die Zeitung in der
Hand des Obdachlosen erblickt, schüttelt sie langsam und vorsichtig – doch ungebrochen lächelnd – ihren schönen Kopf.
Der Obdachlose schlurft regungslos
an ihr vorbei.
In derselben Sekunde gefriert ihr
aufgesetztes Lächeln zu einem eiskalten Starren.
Alles nichts als soziale Norm.
Der einzige Grund, warum wir für
ein paar Sekunden selbst dem widerwärtigsten Abschaum das Gefühl
geben, wir würden ihn als einen Menschen sehen.
Eine Welle vollkommen gnadenloser
Hässlichkeit überkommt mich, als der Bus um die Ecke in einen
unbeleuchteten Tunnel abbiegt.
Das Letzte, was ich sehe, bevor ich
wimmernd zusammenbreche, ist, wie sich mein Blut mit giftgrünem
Erbrochenen mischt, einen kleinen See zwischen meinen beiden Händen
bildet und mir dann durch die Finger hindurch, auf den schmutzigen Boden
rinnt.
Samstag, 26. Oktober 2013
Wochenende
Samstagmorgen, ich hab noch nicht gepennt und sitze das erste mal nach viel zu langer Zeit oben auf der Mauer
des Michaelsbergs. Vollkommen absurd, dass wir schon Ende Oktober haben. Abgesehen davon, dass mir gerade sowieso jegliches Zeitgefühl
entglitten ist und ich mich beim besten Willen weder an die vergangenen letzten zwei Stunden, noch an die letzten zwei Jahre erinnern
kann, hängt über mir ein hellblauer, wolkenloser Himmel. Dass das
Wetter eher an einen kalten Sommertag, statt einen warmen Herbstmorgen erinnert trägt zusätzlich zu meiner Verwirrung bei; sieht mal wieder alles wie auf Leinwand gemalt aus.
Wie sehr ich die Übermüdung vermisst habe: Mit trüben Augen raus in die Stadt starren und sich an der geistigen Leere erfreuen, die
man sich im Laufe der letzten Nacht durch strengen Verzicht auf Schlaf und
Nüchternheit hart erarbeitet hat. Wenn es überhaupt einen Ort gibt,
an dem ich mich annähernd zu Hause fühle, dann ist es dieser Zustand; wenn die großen Fragen und die kleinen
Alltagsprobleme langsam în den Hintergrund treten und
stattdessen die wunderschön verschwommene Sicht, das leise Rauschen
im Hinterkopf und all die verselbstständigten Gedanken in den
Vordergrund rücken. Umgeben von in Chloroform getränkter Watte kann
selbst der hektischste Zwangscharakter entspannen, weil er mit dem bisschen
Restverstand, der die letzte Nacht gerade noch so überlebt hat,
schnell begreift, dass er ohnehin machtlos ist gegen die
trübe Suppe im Kopf. Gezwungene Entspannung sozusagen, die Lage
muss bloß hoffnungslos genug sein, dann ist alles wieder halb so
wild
Wir sind doch ohnehin vob Chaos umgeben, nichts macht Sinn, alles
ist willkürlich, was wir aber aufgrund unserer erbärmlichen
menschlichen Beschaffenheit nicht erkennen können, da wir gezwungenermaßen
durchgehend alles durch die verschmutze Brille der menschlichen Logik
betrachten müssen; wir erkennen wiederkehrende Farben, Formen,
Muster, schreiben Bücher darüber und führen Kriege deswegen und das
alles inmitten der unendlichen Leere der ewigen Existenz. Und in
Momenten wie diesem, in denen der totale Wahnsinn ungefiltert in mein
Hirn flutet, fühle ich mich – wenn ich einmal ehrlich bin – der Wahrheit ein kleines Stück näher.
Keine
Ahnung, ob es die Welt ist, die wahnsinnig ist, oder einfach nur ich selbst – aber vermutlich beides gleichermaßen.
Donnerstag, 24. Oktober 2013
Herbst
Und doch sind da diese kleinen Momente der Glückseligkeit, in denen man für eine Sekunde glaubt, sich aufzulösen;
in denen der verdorbene Geist schweigt und die Schmerzen verstummen.
Goldgelber Blätterregen rieselt leise auf mich nieder, als ich schweigend durch die vom Wind geschaukelten Baumkronen hindurch den blauen Himmel betrachte.
Blatt für Blatt fällt mir entgegen, derweil am Himmel langsam weiße Wolken vorbeiziehen.
Ich sitze einfach da, inmitten dieser dunkelbunten Allee aus braunen, roten und goldenen Bäumen, ganz friedlich und leise,
und denke mir: Es gibt so verdammt viel Schönheit auf der Welt, dass ich am liebsten heulen würde.
Abonnieren
Posts (Atom)