Mittwoch, 30. Dezember 2015

Holodomor

Vor dem Fenster Mittwochabend;
ich, über der Kloschüssel –
mir die Seele aus dem Leib kotzend.

Weiter in den Klauen dieser Kleinstadt hängend;
die Axt im Kopf pulsiert;
das Hirn läuft butterweich zur Nase raus.

Das Jahr neigt sich dem Ende zu –
hab's weder hoch noch weg geschafft;
die Ketten wiegen schwer.

Und irgendwie ist immer Nacht,
der Alltag bloß Erinnerung –
seit Wochen keinen Traum gehabt.

Bin ich wirklich wach?

Montag, 28. Dezember 2015

Indicazione Geografica Tipica

Alles Sein zieht sich im Ich zusammen –
steht ihm dennoch gegenüber, sich dabei müde fragend,
ob überhaupt etwas oder doch nicht vielmehr nichts ist.

Donnerstag, 24. Dezember 2015

24. Dezember

Bin so verwachsen mit dem Haus,
dem Garten und der kleinen Straße
vor der Hecke;

in ein paar Jahren ist die Katze tot
und ich ganz wo anders -
komischer Gedanke.

T. M. A.

Dieses viel zu schöne Mädchen
fasziniert mich Tag für Tag,
selbst nach einem Jahr
und vermutlich noch in zehn;
wenn sie nackt in meinem Bett rumliegt,
mich durch braune Augen anschaut;
oder einfach nur ruhig schläft, leise atmend, leichenblass -
fast wie nicht von dieser Welt;
wie sie sagt, mein Blick sei fragend -
dabei selbst nie wirklich da ist -
meistens wirkt, so wie im Traum -
ganz ruhig und beinah' traurig.

Doch alleine dass sie ist
und wie sie ist -
das sonst so graue Sein,
sich durch sie in seiner Schönheit zeigend -
lässt selbst mich Tor, in meiner Hektik,
in manchen Nächten friedlich schlafen;
beruhigt den wundgereizten Geist.

Nur ein mit-mir-Sein,
geschweige denn des für-mich-Seins,
sind ihr scheinbar fremd -
am Ende bleibt sie stets allein -
verschlossen in sich selbst;
weit draußen in der Ferne treibend,
golden leuchtend - trotzdem kalt.

Doch von mir aus soll's so sein, wer bin ich denn, zu klagen -
ich griesgramgleicher Januskopf, das Hirn voll von Textzeilen;
bin selber hoffnungslos versunken, blauäugig in mir treibend -
die ausgestreckte Hand mehr Schein als Sein -
greift sie doch ins Nichts - und soll es auch.

Doch selbst wenn mein Herz oft übel krampft,
sich unsre Traurigkeit wohl potenziert,
bin ich doch glücklich, dich zu sehen -
ruhig und schön, so wie du bist -
und unendlich froh, dass es dich gibt.

Sonntag, 20. Dezember 2015

In-die-Welt-geworfen-Sein

Am liebsten würde ich euch spießbürgerlichen Normalo-Faschisten mitten ins Gesicht schreien:
Traut euch endlich Mensch zu sein, fühlt doch einmal ehrlich, ohne falschen Stolz,
wie hoffnungslos erbärmlich unser Dasein sein kann;
wachst über eure Uniform hinaus, atmet einmal frei, die hohe Luft Unsicherheit;
geht von mir aus auch zurück, in eure weißen Häuser, mit den kleinen grünen Gärten,
aber geht den Kreis komplett, kappt die kurzen Leinen, ertränkt die hirnlose Versagensangst;
lasst euch, aus Respekt vor eurem Selbst, die Freiheit
auch schräge Wege als Option, als Möglichkeit des Seins, zu sehen.
Ich schreie mir die Seele aus dem Leib, spuck' mein Blut vor eure Füße:
Zeigt mir endlich, dass ihr Mensch seid - lasst mich aufhören euch zu hassen.

Donnerstag, 17. Dezember 2015

Hungerkünstler

Es gibt so Tage, da hat man Lust sich die Adern zu öffnen
oder ein bisschen von dem bösen Zeug zu nehmen –
am besten direkt beides.

Sonntag, 13. Dezember 2015

Gottverlassenheit

Bei allem Herausschälen von Gedanken,
jedem Versuch Konstrukte zu erzeugen,
Strukturen zu erkennen, die überzeugend sinnhaft sind,
bleibt, trotz dem Gefühl der Objektivität,
dem Anschein von Vernunft und Aufatmen von Geist
dieser eine fiese Stachel, ganz hinten im Gehirn:
Gilt das von mir Gedachte immer, oder jetzt?

Ich habe das noch nie ertragen,
werd es nie ertragen können;
das Mensch-Sein weiterhin mein Feind -
der Nemesis im Kopf;
der Traum davon, sich die komplette Biologie abzugewöhnen;
ein einziges Mal im Leben klar zu sehen;
die Dinge, wie sie sind.

Es dreht sich Alles hin und her, ist niemals wirklich gut.

Freitag, 11. Dezember 2015

Hippolyte Bourru

Ein Moment, wert konserviert zu werden -
wie ich Freitagmittag barfuß auf der Treppe sitze,
beide Beine ganz leicht angewinkelt,
während der unruhig aufsteigende Tabakqualm
sich mit dem ihm entgegenfallenden Dezemberregen
schweigend zu vermischen scheint;
wie von drinnen, durch die angelehnte Zimmertür,
derselbe Song geschlichen kommt, der seit gefühlten tausend Jahren
diesen einen Augenblick auf seinen Schultern trägt;
wie der kranke Kopf ganz ohne Regung auf dem Rumpf sitzt,
frei vom Willen zu verstehen,
dem sonst so starken Drang, die Dinge zu verdrängen;
wie stattdessen, erstmals tief aus mir, die schönste aller Erinnerungen,
an einen Moment - zu weit weg, ihn zu verstehen; zu sehr ich, ihn preiszugeben -
aufsteigt -
und die ganze Welt mit kaltem Grau durchzieht.

Wie ich später dann, mit taumelnd-wirrem Schritt
und leergeträumten Blick,
die alte Treppe hinabsteige;
mitten in das fremde Schwarz -
in ein neues Selbst.

Alles Alte löst sich auf - Ich bin jetzt nicht mehr ich.

Flimmerndes Lichtermeer

Plötzlich zeigt sich da Struktur
im sonst so wirren Sein;
beim Blick zurück verwischte Spuren,
verwelktes Laub des Hier und Jetzt;
mein Bild des geraden Wegs,
krumm und schief, doch mit System;
die Dämonen außer Sicht,
Ich bleibe stehen, atme durch;
wachse fest an diesem Ort,
schlage Wurzeln in die Welt.

Donnerstag, 10. Dezember 2015

REALiTi

Die Bonzen im Dorf schmücken ihre Häuser,
ich fress' Pregabalin wie sonst was
und schlaf ständig in der Straßenbahn.

Wollte, dass mir meine Muse schöne Bilder malt,
doch hab dann den Fehler eingesehen,
die Wunden schnell geleckt.

Es geht schon wieder 'bisschen besser mittlerweile,
auch wenn ich kaum zum Schreiben komm,
die Worte sich entziehn.

Donnerstag, 3. Dezember 2015

Verliebte Schmierfinken verstehen auch Tierstimmen

Wenn ich mir abends hektisch das Gesicht wasche, versuche mit der energisch um Augen, Hals und Ohren
verteilten Seife, den Dreck der dunklen Jahre abzustreifen, kommt es hin und wieder vor, dass ich aus Versehen ein wenig von der Seife herunterschlucke und plötzlich von einem Gefühl chemischer Katharsis
übermannt werde, das mich für den Bruchteil einer Sekunde ganz weit weg trägt, in irgendwelche unbeschmutzten, hellen Sphären, während ich, begleitet von einer bizarren Mischung, aus irgendetwas zwischen Sehnsucht und Ekel, die bittere Lauge gurgele.
Und wenn dann die dreckige Suppe den Abfluss runterrinnt und ich beim Blick nach oben von den kalten Augen meines eigenen Spiegelbildes erwischt werde, wie ich mich feindselig anstarre, frage ich mich leicht besorgt, was zur Hölle mir noch helfen soll.

Dienstag, 1. Dezember 2015

Ich bin auch nur ein Mädchen, wenn auch unrasiert

Du hast mir Samstagnacht gesagt -
oder war es doch am Sonntagmorgen? -
hatte mich da schon wieder ein klein wenig verloren,

dass ich ein positiver Mensch sei,
wenn auch oft mit schlechter Laune -
endlich einer, der mir die Nummer abkauft.

Ein positiver Mensch,
wenn auch ein, von bis auf aus den blauen Augen
triefendem Selbsthass Zerfressener;

wenn auch ein, weiter sich für
alles was er macht Verachtender;
macht das die Dinge selbst nicht zwingend schlechter;

nur mein Selbst, verdreckt,
vom Schwarz der durchgemachten Nacht befleckt,
hofft heimlich (peinlich peinlich), dass es bald verreckt -

lacht sich selbst, als Selbst, selbst noch beim
diese Zeilen Schreiben,
Hass-versessen selbst aus;

ist im Endeffekt dann nur
'bisschen enttäuscht davon,
sich immer noch denselben Gestalten

um den Hals zu hängen,
die es - weiter wie gewohnt - so ignorant erfrier'n lassen.
Und heimlich - da haben alle Spaß am Hassen.

Hassen - Hassen - Hassen.

Sonntag, 29. November 2015

Randnotiz II

Das Andere springt mich an -
beißt sich fest -
durchzieht mich gänzlich;

bis beinahe nichts mehr
von meinem alten Selbst
am Leben bleibt.

Wie bereits gesagt,
die Grenze zwischen Wort und mir
scheint leise zischend zu verschwimmen;

Ich falle in den Text,
tauche durch die Zeilen;
vergesse dabei Mensch zu sein.

Samstag, 28. November 2015

Randnotiz I

Der Plattenbau im Innern –
der Riss im Schädel –
die Axt im Kopf.

Den Kontakt zur Außenwelt komplett verloren –
ein letzter Griff ins Leere –
der lange Fall ins Nichts.

Fünf Jahre konstant abwärts –
beim Blick zurück bloß schwarzer Blackout –
wer zur Hölle bin ich?

Mittwoch, 25. November 2015

Nachts sind alle Katzen grau

Das, bis vor einer Sekunde
noch auf tönernen Füßen gestandene,
durch sein leises Glitzern
die dunkle Nacht durchziehende
Glaskristall-Ego,
zerbricht, in unerträglich
zähflüssig dahinfließender
Zeitlupe,
an dem Moment -
der Sekunde -
unwiderruflicher Gewissheit,
der absoluten Vergänglichkeit,
jeglichen menschlichen Seins -
oder Werdens;
und knallt,
laut klirrend,
beinahe
die ganze Luft
der Welt zerreißend,
in Richtung
der nichtsahnend daliegend,
schneebedeckt schlafenden
November-Erde.

Die, zu tief sitzende Hosen tragenden,
Bier trinkenden Jugendlichen,
auf dem Parkhausdach nebenan -
das erst seit kurzem,
hoch oben in den Himmel ragend,
als Gold-übersäter Wunder-Dolch,
die Dachkuppel dieser Stadt
durchtrennt -
sehen so alt aus,
wie ich mich meistens fühle
und starren, lethargisch-leergekifft,
in Richtung
der auf sie zurasenden Druckwelle,
die sie - ihre kleinen Körper zerfetzend -
in die bunten Weiten dieser Welt zerstreut,
ehe sie noch ganz verwirrt
,,Boah krass ey Alter!''
rufen können.

Jakob sagte letztens,
ebenfalls Bier trinkend,
aber in etwas eng'rer Hose,
als die Assis auf dem Dach -
mit mir im Bonner Loch rumstehend -
es wäre denkbar, zumindest möglich,
man konstruiere sich,
die schwierige Beziehung
zu seinem Vater selbst -
oder eben nicht?

Spätnachts dann in der Straßenbahn,
geleerte Sektflaschen auf den Sitzen liegend,
schlägt mein Herz im Takt,
der vor den Plastikfenstern
vorbeiflackernden
Meere goldgelber Straßenlampen.

Die, an der Zimmerdecke
festgewachs'nen Spinnennetze,
tanzen zur Musik,
wenn ich sie heiser anpuste -
ich weiß nicht wie es weitergeht:
Mein Leben -
dieser Text -
das Sein -
alles scheint im Kreis zu laufen,
doch erkennt den Weg nicht mehr,
den es doch
zu kennen müssen glaubt;
und auch wenn ich,
in meinem Schreiben,
nicht wirklich gern politisch bin -
ich kann doch hören,
wie vor den Fenstern,
jetzt gerade noch weit weg -
bald vielleicht schon nah -
die Bomben detonieren.

Das auf tönernen Füßen stehende
Glaskristall-Ego
zittert angespannt -
verliert sich unvorsichtig
in fiebrigen Vorahnungen -
metastasierenden Vorstellungen -
eines lauten Knalls -
Und Dann:
Ganz Lange
Nichts.

Dienstag, 17. November 2015

Zwanzig

Bin dann plötzlich doch
aus dem Weltschmerz rausgewachsen -
so ganz ohne Warnhinweis.

Montag, 16. November 2015

Schräges Leben

Das Gute an der Sache ist - nachts läuft im Radio manchmal sogar ganz nette Musik.
Die Scheiben vom Wagen sind mit einer dicken Schicht eiskaltem Dunst beschlagen.
Jede mir auf der Landstraße entgegen geschwommen kommende Blechkiste, löst in mir das nicht zu bändigende Gefühl aus, auf die falsche Fahrbahn abzurutschen.
Die grell durch die Nacht ballernden Scheinwerfer des vermutlich völlig geisteskranken Fahrers hinter mir, jagen mich durch die gewundenen Straßen der Nacht.
Ich wechsle alle zwei Sekunden Temperatur der Klimaanlage oder Lautstärke der Musik.
An - aus - an - aus - hoch - runter - hoch - runter - aus - aus - aus!
Der Regen prasselt auf die Erde nieder, wie Worthülsen verpickelter Speedfreaks an einem Sonntagmorgen. Der Kalender antwortet auf Nachfrage, wir hätten mittlerweile Mitte November, bald sei Weihnachten, und danach käme dann das Jahr 2016 - ach du Schande.
Das Absurde sitzt lachend zwischen den Zeilen und ejakuliert sich vor Freude auf den fetten Bauch.

Samstag, 14. November 2015

Zersetzung

Wieder so, wie letztes Jahr, zeigt das ständige zur-Seite-Schauen, in der Spiegelung der Schaufensterscheiben, den Geisterkörper, wie er stoisch sich nach vorne schiebt - gleich einem Eisbrecher im Arktismeer - die auf dem Bordstein wabernden Nebelschwaden in zwei Hälften teilt.
Das Sonnenlicht erlischt, der Himmel leuchtet grau, Leute starren durch mein Herz, lösen sich dann auf.
Mein Geist brennt wie im Fiebertraum, treibt die beiden dürren Beine, bedeckt von Dreck-beflecktem Mantel, durch aufplatzende Straßenschluchten, vorbei an zuckend auf mich einstürzenden Häuserfronten, rot- und grün leuchtenden Ampelmännern.
Blonde Mädchen, fliehen schreiend, vor meinem schiefen Lächeln, ich versinke in mir selbst, ertrinke an der Welt, die Straßenbahn fährt ratternd durch die Nacht, Laternen flackern hell, ihr Licht verschwimmt zu Gold, ich lieg' besoffen auf dem Sitz, häng' halb auf dem Boden - hab' immerhin mein' Spaß.

Lyrica 150mg

Das Denken läuft ins Nichts
Die Menschenmaske schmilzt
Der Mann im Spiegel lacht

Freitag, 6. November 2015

Dass das Denken denkender werde

Ich habe mich in Text geschrieben;
mein Ich mit jedem Wort verwoben;
die Leerstellen im Selbst, durch
Zeichen aus der Welt ersetzt -
mein Sein in das Symbol verschoben.

Diese frevelhafte Selbst-Aufgabe -
gotteslose Ich-Verleugnung -
fällt, wie Luzifer, vom Himmel,
dem kalten Blau entgegen.

Die Augen bleich, der Kopf
verdreht; Wellen schlagen hoch;
kann nicht mehr trennen: Bin ich
Künstler? Bin ich Werk? Kann nicht
mehr rennen; warte schweigend -
die Flut zieht mich ins Meer.

Rheinufer im Herbst

Wie gern ich dich damals hatte.
Komisch, dass wir uns trotzdem
so sehr auseinander gelebt haben.
Als ich schlingernd wirr am landen
war, hobst du gerade ab - bist
irgendwie davon geflogen.
Ich hab dich nicht vergessen, weiß
noch heute das Gefühl, als wir
zusammen den Rhein entlang
spazierten; einen ganzen Nachmittag.
Wie es dann zu regnen anfing, ich
mich erst nasstropfen lies, nur um
dann doch, mit purpurrotem Kopf,
neben dir und unter deinem Schirm
zu landen. Wie wir einfach weiter
gingen, vorbei an deiner alten Schule
und den hohen Häusern des
Regierungsviertels. Wie ich dann,
aufgeregt, verängstigt, ohne genug
Mut, um deine weiße Hand zu halten,
mit und neben dir, auf dem
Bordstein, vor dem Haus stand. Wie der
Regen plätschernd auf den Schirm und
von ihm in den Rinnstein tropfte.
Wie das Wasser Schuhe,
Socken, Füße ganz durchnässte;
und man heute, von der
Retroperspektive aus, glauben könnte,
zu erkennen, wie hier,
an seinem Ende stehend,
ein in sich abgeschlossenenes Kapitel,
eines splitterhaften Lebens,
weggespült worden wäre, um irgendetwas
Neuem - durch das seltsame Scheinen,
der seltenen Momente, in denen Kunst
und Welt untrennbar sich vermischen -
Platz zu machen. Wie ich mich
nicht traute, dem Willen nachzugeben,
dich zu Fragen, ob es für dich
akzeptabel wäre, käme ich -
wegen all dem Regen - noch mit rein,
zu dir und schliefe auf dem Boden,
weil ich dachte, das würde dir, vielleicht
zu nahe gehen, irgendetwas verdeckt
zwischen uns Waltendes zerstören.
Wie ich dann stattdessen, mit
vollgesogenen Klamotten, den weiten
Weg zum Nachtbus lief und dann,
in diesem sitzend, eine Stunde
bis zum Bahnhof fuhr, während ich,
auf der letzten freien Seite, meines
kleinen ledernen Kalenders ein
Gedicht über uns beide schrieb.
Als ich dich das letzte Mal
gesehen habe, saß ich auf
dem Boden, stand noch nicht mal auf,
um dich zu begrüßen. Wir leben wohl -
und lebten vielleicht immer
in zwei grund-verschiednen Welten.
Im Hier und Jetzt, als die Menschen, die wir sind,
sind wir uns wohl fremd, beziehungsweise
fremd geworden, vielleicht schon immer,
fremd gewesen. Doch du bleibst
für ein paar Jahre noch, eine Erinnerung, die
tief in meinem Kopf vergraben, sich
auf ein Gefühl bezieht, das ich in der Zeit
als wir uns kannten, fast vergessen hatte.

Montag, 2. November 2015

Atlas goes to Wonderland

Alles läuft im Kreis -
der Inhalt wird zu Staub -
Erschaffen und Vernichten -
der immerselbe Kreis.

Das Wochenende endet;
Montagmittag, ich wach auf;
vier - fünf Kaffee später,
wird es wieder dunkel.

Im neugebauten Kaufhaus,
(schade um das alte)
mitten in der Stadt,
dreh ich meine Runden,
weiß nicht recht wohin.

Das ziemlich stark geschminkte,
blond gefärbte Mädel,
verfolgt -
am Infoschalter stehend,
mit ihren braunen Augen,
(oder waren sie doch blau?)
jeden meiner Schritte.

Nach meiner Meinung
guckt sie fies,
argwöhnisch
und verachtend;
doch meine Meinung
zählt nicht viel,
ist in der Regel
Schwachsinn.

Ein andres Mädchen
guckt - an der linken Kasse
sitzend -
verliebt in meine Richtung;
ich lächle aus Versehen
und unsicher zurück -
fühle mich ganz krank dabei -
nehm schnell meine Sachen
und geh zur andern Kasse,
direkt rechts daneben.

Die alte Frau,
dort sitzend,
spricht mich scheinbar an;
ich lache kurz
und gucke weg;
nehm mein Wechselgeld
und fliehe.

Beim Blick zurück,
in Richtung
von der linken Kasse,
fällt mir auf,
wie sehr es schmerzt,
zu sehen,
wie ihre trüben Augen,
traurig und enttäuscht,
in meine Richtung glupschen.

So unendlich viele Augen,
die gucken und starren,
urteilen und verfolgen,
bewerten und begehren;
mit jedem ihrer Blicke -
diesem seltsam starken Strahlen -
die - sie beinhaltende Welt -
erschaffen und vernichten,
tragen und auch stürzen,
ohne dass es jemand störte.

Und ich blicke Tag für Tag,
in tausend tote Augen,
die - was weiß ich wie - wirkend,
in Richtung
meines Körpers starren
und trotzdem doch nichts sehen;
an mir vorbei,
ins Weltall schauen.

Irgendwas verfolgt mich;
treibt mich weiter an,
manisch, wie ein Irrer,
im immerselben Kreis zu kreisen -
und steckt doch in mir drin;
währenddessen sprießen Häuser
aus dem Boden dieser Stadt,
die ich einst zu kennen glaubte;
und auch diese ist getrieben,
besessen und im Wahn.

Und ich laufe, krieche, renne,
mit weit aufgerissnen Augen -
über Nichts und Alles denkend -
durch eine Welt, die ich erfinde.

Und ich wünschte mir so sehr
ich könnte endlich wieder richtig -
eine brauchbare Geschichte -
anstatt dieser Zeilen schreiben;
doch die Tabletten machen stumpf,
mein Kopf ist fast wie leer;
es bleibt bei pubertärer Lyrik,
der Pathos ist mein Freund,
mein Schreiben oxidiert.

Freitag, 23. Oktober 2015

The first night of autumn came too soon

Mein alter Freund, die Axt im Kopf,
bricht mir, aus Angst mich zu verlieren,
die beiden bleichen Beine;
und als dem Tag sein Ende naht,
liegt mein Körper, leise lächelnd –
am eig'nen Blut ersoffen –
in den dunklen Gassen dieser Stadt.

Freitag, 16. Oktober 2015

Blinkendes Warnblinklicht

Eigentlich
wollte ich
darüber schreiben,
wie der
aufgrund einer Sekunde
der Unachtsamkeit
seit gestern
mahnend offen klaffende Riss
in dem grauen Betonklotz
rund um das brodelnde Meer in mir
ausreicht
ganze Generationen
grenzdebiler Kleinstadtspießer
aufs brutalste zu ersaufen
und wie alles tobt und kocht
und drückt und zuckt
und gewaltsam aus mir bricht.

Ja,
genau darüber
wollte ich eigentlich
schreiben,
als ich so
mit dem Wagen
durch die Nacht fuhr
und mich irgendwie
frei
oder erwachsen,
vielleicht auch
einfach nur
ein bisschen cool
gefühlt habe -
bis zu dieser roten Ampel,
direkt an der Autobahn
in Richtung Hennef
oder Köln,
als ich bremste
und der Wagen
dann laut knackte,
unter Rauchschwaden
den Dienst quittierte.

Jetzt schreibe ich
stattdessen darüber,
dass kein Mensch
auf dieser Welt
netter zu dir ist,
als der Mann
am andern Ende,
der zweihundert Euro verdient,
weil er Donnerstagnacht,
so zwischen eins und zwei,
einen Typen
aus der Werkstatt schickt,
der dir dann den Wagen
direkt vor die Haustür schleppt.

Als ich schließlich
in lachhaft großer Warnweste
versinkend,
mit fleckiger Jogginghose
über den bleichen Beinen
und im Morast feststeckenden
roten Slippern
an den Füßen
mehrmals vergeblich
nach der Hand
des fetten Typen greife
und dabei
wieder und wieder
unverständlich stotter,
wie glücklich ich doch sei,
wie verdammt
unfassbar
verfickt noch mal
glücklich ich doch sei,
fühle ich mich
weit weniger cool -
aber trotzdem
irgendwie
richtig gut.

Samstag, 3. Oktober 2015

Trashparty

Schön wieder hier zu sein.
Kaugummi kauend an die Wand gelehnt.
Das Stroboskop blitzt und alle tanzen wie in Zeitlupe.
Der Boden ist rutschig von dem verschütteten Bier -
und unter meinem Schuh klebt ein Kronkorken.

Hier ist nicht mehr mein Zuhause - hier bin ich nur noch Gast.

Keine Ahnung, ob das stimmt.
Entweder es geht gut, so wie es läuft, oder alles ist am Arsch.
Werd schon wach werden, wenn der Wagen irgendwann die Wand rammt.
Keine Ahnung, ob die Ruhe mich beunruhigt.
Vielleicht sind die Dinge auch einfach endlich gut.

Freitag, 2. Oktober 2015

Dorfjunge in Großstadt

Mittwochabend, Ferdinand Dunst zieht die Tür leise hinter sich zu und geht vorsichtig die Treppe hoch. Ein paar wenige Lichtstrahlen der untergehenden Sonne fallen durch die Fenster aus Milchglas hindurch ins Treppenhaus. Als ihm der Flur nach drei Stockwerken immer noch nicht vertraut vorkommt, entscheidet er sich, nach unten zu gehen. Vor der Haustür stehend, fällt ihm ein, dass er ohnehin nach draußen wollte.
  ,,Keine Ahnung, wie lange du jetzt da warst - zwei, vielleicht drei Tage? Dieses verfluchte Sofa ist aus Kaugummi - wenigstens wird es wieder dunkel - in acht Minuten kommt die Bahn - Fuck, du musst rennen.''
  Er hat seit Freitag nicht geschlafen und dachte demnach, ihm wäre sämtliche Kraft abhanden gekommen, ist dann aber angenehm überrascht, als er bei dem Versuch loszurennen bemerkt, dass sein Körper, eher taub als ausgelaugt, den ihm gegebenen Befehlen ohne Widerwillen gehorcht.
  In der Straßenbahn gucken die Menschen Ferdinand komisch an, weil er ein bisschen nach Scheiße, Schweiß und billigem Tabak riecht. Dazu kann er nicht aufhören, die Augen erschrocken aufzureißen, knirscht mit den Zähnen und tippt nervöse Kurznachrichten in das gesplitterte Display seines Handys.
  ,,Fuck - die Leute starren dich an - nein, das bildest du dir nur ein - noch zehn Minuten hier sitzen, dann kannst du wieder raus - immer dasselbe Affentheater - du solltest echt mal runterkommen - vielleicht in zwei drei Woche oder so - dieses unter der Woche durchmachen, macht dich echt fertig.''
  Die fast leere Bahn fährt über den Rhein, während sich am Horizont die letzten dünnen Sonnenstrahlen mit den frisch ins Dunkel sprießenden Neonreklamen zu einem bunten Brei vermischen.
  Als sich an der nächsten Haltestelle die Türen öffnen, springt er ein bisschen schneller, als unverdächtig gewesen wäre auf und eilt zum Ausgang.
  ,,Ich muss so dringend pissen, fuck, ich kann nicht mehr - wo ist denn hier eine verfickte Toilette, Scheiße - das ist alles so unendlich beschissen - welcher Tag ist heute überhaupt? schon wieder Mittwoch, oder? Ja - na immerhin, dann kannst du heute feiern gehen, geil - und dann ist auch schon fast wieder Freitag - und Sonntag wollte ich noch zu Steven - falls der nicht mit Gini in Aachen ist.''
  Mit immer noch ängstlich aufgerissenen Augen betritt Ferdinand ein Fastfoodlokal.
  Er starrt auf den Boden, während er eilig an den auf ihren Plastiksofas sitzenden Familien, Pärchen und Jugendlichen vorbei, in den hinteren Bereich, zu den Toiletten geht.
  Der schwarze Klomann sitzt, mit geschlossenen Augen, an die Wand gelehnt, auf einem kleinen Hocker. Ferdinand versucht sich an ihm vorbei zu schleichen, streift den Mann aber versehentlich am Bein, woraufhin dieser seinen Oberkörper aufrichtet, seine geröteten Augen aufschlägt und Ferdinand feindselig anstarrt.
  ,,Ey, Mann! 50 Cent!''
  Ferdinand ignoriert die ausgestreckte Hand, geht versteift an ihr vorbei und schließt sich in einer der freien Kabinen ein. Sein Schwanz ist von dem ganzen Speed so dermaßen verschrumpelt, dass er Angst hat, aus Versehen durch den Schlitz zwischen Klobrille und Toilettenschüssel hindurch zu pissen.
  Jedes mal, wenn er seine Augen auch nur für eine Sekunde schließt, blitzt ein gleißendes Licht auf, das ihm, von einem ohrenbetäubenden Knall begleitet, die Augenlider wieder nach oben reißt.
  Trotzdem redet er sich ein, er bräuchte bloß tief durchzuatmen, sich bloß ein kleines bisschen zu entspannen.
  ,,Komm schon Mann, du kennst das doch, hattest das alles schon hundert mal - jetzt guck nach vorn und entspann dich einfach - dir - kann - nichts - passieren! Guck dir einfach die Holzmuster auf der Tür hier an - ja, die Holzmuster - die immer gleichen - Holzmuster - hör auf zu denken! - die Holzmuster - nur Holzmuster - Mittwoch - Freitag - Sonntag - Holz - endlich feiern - endlich aufhören - endlich frei sein - endlich drauf sein - draufgehn - Kreislauf - Ende - Tod.''
  ,,EY MANN! MACH DIE SCHEIß TÜR AUF!''
  Der Klomann hämmert, wütend schreiend, mit beiden Fäusten gegen die Kabinentür.
Ferdinands Körper quittiert endgültig den Dienst. Er seufzt kurz, fummelt ein kleines Tütchen aus seiner rechten Socke, steckt einen abgeschnittenen Strohhalm hinein, führt die Konstruktion an sein linkes Nasenloch und snifft drei mal energisch, während er mit seinen klebrig-verschwitzten Fingern den rechten Nasenflügel zudrückt. Anschließend bindet er seine Turnschuhe, steht unbeholfen auf, zieht erst Unterhose, dann Hose hoch und schließt letztlich die Schnalle seines mittlerweile zu groß gewordenen Gürtels.
  Ferdinand entriegelt das Schloss, drückt die Klinke hinunter und presst sich mit seinem gesamten Gewicht sprunghaft gegen die Tür. Der überraschte Klomann wird schreiend nach hinten gestoßen, knallt mit dem Hinterkopf gegen die Wandkacheln, verfängt sich mit dem linken Arm in einem der Pissoirs und fällt mit lautem Knacken zu Boden.
  Ferdinand sprintet aus dem Herrenklo - greift im Vorbeilaufen noch hektisch mit seiner rechten Hand nach dem Kleingeldteller des Klomanns - sprintet weiter - durch den hinteren Bereich des Ladens - dann durch die Schiebetüren hindurch - zurück auf die Straße.
  Er sprintet und sprintet und sprintet (und sprintet und sprintet und sprintet).
  Die Stadt versinkt langsam in der ersten richtigen Herbstnacht, Blätter werden dunkelgelb, Ferdinand schlägt ein kalter Wind entgegen.
  ,,Fuck! Fuck! Fuck! Das war's jetzt - die kriegen dich - Fuck. - weg von hier!''
  Er rennt, wie ohne Willen; biegt in wahllos wechselnder Reihenfolge mal links, mal rechts ab; läuft durch fremde Straßen, blickt in verwirrte Gesichter.
  Nach ein paar Minuten verlangsamt sich sein Schritt - das Herz sticht, die Lunge brennt.
  Er lässt sich auf den Boden fallen und rollt sich neben der Auffahrrampe eines Parkhauses im Dunkeln zusammen.
  Wie er so halb verdreht auf dem Rücken im Dreck liegt, muss er unwillkürlich in Richtung Himmel starren. Keine Wolken, keine Sterne. Nur ein riesig großer, gierig funkelnder, fetter Vollmond, der sein Licht wie ein dickes dichtes Netz über die Stadt spannt.
  ,,Fuck, dein Herz, du musst dich beruhigen - hier draußen kriegen die dich - lieber ins Odonien - ja, schnell ins Odonien - Fuck, du hast keine Kohle mehr - aber wenn du vor dem Eingang 'n bisschen was verkaufst, passt das schon mit dem Geld ''
  Ferdinand bleibt ungefähr acht Minuten in einer schmerzhaft unbequem aussehenden Position liegen, richtet sich dann auf, klopft den Dreck von seinen Klamotten und fängt langsam an, zurück in Richtung Straßenbahn zu laufen. Seine Augen bleiben an einem beleuchteten Plastikbierkrug kleben.
  ,,Trinkhalle - Bier 1€ - von 6 bis 2 Uhr geöffnet.''
  Er steigt, die geklauten Münzen in seiner Hosentasche zählend, die Stufen zum Ladeneingang hinauf.
  ,,Zwei Reissdorf und ein Red Bull bitte.''
  ,,Junge, siehst du scheiße aus. Tu dir selbst und der Welt einen Gefallen und geh endlich pennen.''
 Ferdinand geht am Eingang des Clubs vorbei, hundert Meter weiter, dann über die Straße und den schmalen, von Brennnesseln übersäten Weg zu den Bahngleisen nach oben.
  Von Handytaschenlampen erleuchtet sitzen Jugendliche in mehren Kreisen und kratzen nervös Speedpaste hin und her.
  ,,Mach mal schneller Mann - wie lange noch? - ich will endlich wieder tanzen gehn - komm schon, geht das nicht 'n bisschen schneller? Puste mal, ich glaub das hilft - jetzt mach mal hinne - ich hab keine Lust mir 'ne scheiß Blasenentzündung zu holen, nur weil der Wichser uns nasse Paste verkauft hat!''
  Ferdinand denkt sich, dass es eigentlich keine schlechte Idee wäre, nach dem Pissen auch noch was zu ziehen - nur ein kleines bisschen. Dann verkauft er an zwei der Teenager etwas von seinem schlechten Speed und geht zurück in Richtung Club.
  Das Geld reicht gerade so für den Eintritt und ein paar Bier. Die Nacht über trifft Ferdinand, wie jeden Mittwoch - und jeden Freitag - und jeden Samstag - und jeden Sonntag - dutzende und aberdutzende der ewig gleichen, gesichts- sowie charakterlosen Teilzeitfreunde - die, wie immer, immer nur das gleiche reden - zieht zu viel, trinkt zu viel - viel zu viel.

  Aber was soll's - an dieser Stelle braucht man eigentlich nicht weiter von dieser Nacht zu berichten.
Wer das alles nicht kennt, wird's auch jetzt nicht verstehen - und wer's kennt, der weiß genau, welche stumpfe Idiotie, welche verlockend ins Nichts greifende Leere, welche seit gefühlten tausend Jahren gesprungene Platte in diese kalten Oktobernacht zum millionensten Mal aufgelegt worden ist.

  Morgens kriecht die Sonne dann, sich schon beinahe für das Pack schämend, dass an diesem dreckigen Donnerstagmorgen, von ihren zitternden Strahlen aufgedeckt werden wird, langsam zurück an den Himmel.
  Das größte Bordell der Stadt leuchtet golden, beinahe mystisch. Leute in dreckigen Klamotten sitzen, mit verklärtem Lächeln im Gesicht, auf dem Boden herum. Ferdinand trägt eine Sonnenbrille, trinkt Bier und schaut über die Dachkante des Bordells hinweg, auf die dahinter erwachsende Sonnenkugel.
  Langsam weicht die Kälte, eine angenehm frische Brise streicht, durch die verätzten Nebenhöhlen hindurch, das leergedrogte Gehirn.

  ,,Hier ist es schön - hier will ich bleiben!''

Die Stimmen ficken meinen Kopf

Der Körper beginnt zu beben. Erst ganz weit unten, irgendwo tief drinnen, dann langsam in den äußeren Schichten, bis Beine und Füße zu zittern anfangen. Obwohl seit zwei Tagen niemand mehr aus diesem Bett aufgestanden ist, haut das Gefühl wirklich alles von den Beinen. Die Luft kann gerade noch angehalten werden, um das Schreien in der Kehle zu ersticken. In den Ohren hallt das Geräusch von splitterndem Porzellan nach. Der Mund reißt sich, wie ohne Willen, deformiert auf, die Lippen hängen lächerlich weit auseinander. Das Zittern pulsiert, explodiert, bricht aus irgendwem heraus. Die Hände rudern verzweifelt durch die Luft, suchen Halt, graben sich tief in Augenhöhlen und Mund.
Ich habe so eine scheiss Angst davor dich sterben zu sehen. Und ich habe eine scheiss Angst davor selber drauf zu gehn.
Jetzt bleibe ich nachts wach, heule heimlich und hoffe dass es keiner mitbekommt.

Donnerstag, 17. September 2015

Auf Wunsch beraten wir Sie kostenlos bei Ihnen zuhause

Der Tod reißt tiefe Schneisen
Dein Haus in grauen Trümmern
Ein Jahr schon bist du Asche

Regen klebt am Fenster
Momente werden Staub
Alles löst sich auf

Sonst passiert nicht viel
Mein Leben zieht vorbei
Das schlechte Wetter nervt

Dienstag, 8. September 2015

Alfter Stadtbahn / Alanus Hochschule

Meine völlige Kapitulation vor dem Gefühl der Selbstverständlichkeit, mit dem du Tag für Tag bis abends schläfst, dann in der Küche, vier Tassen Milchkaffee mit widerwärtig viel Zucker darin trinkend, ein Paket Toastbrot isst, um dich anschließend, in Trainingshose und Plastikjacke, auf den Weg durch den Regen, vor das Gartentor, auf die löchrige Straße zu machen, da dein Dealer im Haus gegenüber wohnt; wie du dabei noch kurz an der Stelle im Garten, direkt vor dem Küchenfenster, stehen bleibst und dich für eine, sich unangenehm in mein Gehirn einbrennende Sekunde, zögerlich oder hektisch, mit irrem Blick zu mir umdrehst und durch mich hindurchschauend ins Nichts lächelst; mit dem traurigen, leeren Lächeln eines gebrochenen Fremden.
Dem gegenüber steht das Gefühl des absoluten leben-wollens, mit dem ich früh nachts in dem viel zu heißen Badewannenwasser liege und inmitten des kaum durchdringbaren Nebels, gierig Liter für Liter kaltes klares Wasser aus dem Hahn sauge, dabei den Mund kaum lösen kann, für eine Sekunde mit dem Metall verschmelze, mich danach überhastet aufrichte, nackt und verwirrt im Badezimmer herumstehe, nass von Schweiß und Wasser, die rechte Gesichtshälfte kurz widerwillig, dann wie getrieben, gegen die eiskalten Wandfliesen presse, den Kopf vorsichtig unter dem nach innen geöffneten Fenster hindurchschiebe, um nach draußen blickend, die unbeschmutzte Kleinstadtnachtluft einzusaugen und für Gott weiß wie lange ins stille Schwarz der Nacht zu starren.
Wir beide kommen auf keinen grünen Zweig mehr - du, mit deinem gedankenlos in Richtung Ende Treiben - ich, mit meinem offen klaffendem Drang nach mehr - nicht in diesem Leben.

Samstag, 5. September 2015

Folie á deux

Ich liebe Dich auf meine Art,
doch es fühlt sich an,
als liefe meine Liebe
an Dir vorbei
ins Nichts.

Ich wünschte, ich könnte schweigen,
statt mich wieder dem Drang hinzugeben,
Dir zu zeigen, wie ich fühle,
denn ohne eine Antwort von Dir,
verliere ich dabei die Achtung vor mir.

Früher war ich nichts als Stein,
heute sehe ich denselben Stein in Dir:
Es wirkt, als würde es Dich stören,
dass ich Dich berühren, mit Dir schlafen will.

Ich kann einfach nicht anders,
als gut zu Dir zu sein –
doch Du liegst neben mir
und starrst die Zimmerdecke an.

Mittwoch, 2. September 2015

September

Das Weiß der Wand strahlt seltsam grau
Tränen auf den Wangen
das Speed wirkt scheinbar kaum.
Plötzlich eingesperrt von den vier Wänden
um mich rum und in mir drin
hinter denen ich mich sonst so gern verstecke.
Langsam kommt mir der Verdacht
ich hätte aufgehört zu rauchen
nur um nicht mehr raus zu müssen.
Ich hätte Lust zu schreiben
ich sei wieder ganz der Alte:
eingefroren, abgestorben;
doch das klingt alles
bisschen schlimmer als es  ist;
ich klopf bloß hin und wieder Sprüche.

Donnerstag, 27. August 2015

Dogmatischer Abbruch

Diese Welt bietet viel zu viele
saftig daliegende Heuhaufen
für all die Esel von Buridan
die mit glänzenden Augen
vor ihnen verhungern

Der kurze nervöse Blick
raus in den verregneten Garten
reicht mir völlig aus;
genug angestrengt für heute
lieber zurück ins Bett

Sonntag, 23. August 2015

Die Axt in meinem Kopf

Ich führ ein makelloses Doppelleben,
bin perfekt darin mir einzureden –
während ich den Schnee in meine Nase ziehe,
zurück zum heißgeliebten Wahnsinn fliehe –
der Blickkontakt zum Abgrund,
all der ganze Stress und
die tausend wirren Selbstanklagen,
wären gar kein Seelenschaden;
sondern ich sei halt einfach so –
ein bisschen abgestumpft, im Innern hohl.
Die Vernunft versucht vergeblich freizukommen von dieser Sicht,
doch mein verdrehter Geist kämpft gegen mich;
legt mir lachend Steine in alle meine Wege –
kranker Dämon, der seinen Tanz tanzt, solange ich lebe;
schreit ohne Pause tosend in mir rum, wird selten leise, niemals stumm
und ich wünschte, ich hätte den Mut und brächte ihn um,
wenn seine Stimme zuckersüß im Hinterkopf summt:

,,Mein Liebster, bitte sieh es endlich ein, ein anderer wirst du nie sein –
red dir das ruhig weiter ein, doch alle Hoffnung bleibt bloß Schein''

Und trotzdem muss, während ich diese Gedanken zu mir selber sage,
diese phönixgleich nie endend hasserfüllt gezischte Klage,
so etwas wie ein Teil von meinem Selbst, der Ort meines Bewusstseins in der Welt,
aus vollem Herzen lachen, über diesen ganzen Schwachsinn –
denn dieses ach so ernste Grübeln, zerschellt alsbald am neugebornen Frühling.

Donnerstag, 13. August 2015

Hallo Ball aus Licht, Hallo alles was du siehst besitzt du nicht

Leute verleugnen sich selbst gegenüber, was sie mir bedeuten, während ich hier nachts in Unterhose in der Küche sitze und mich frage, ob die Art, wie ich denke, die Belohnung für den Mut ist, damals, also irgendwann früher, vor einem für mich nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt, so rücksichtslos auf jegliches Potential, jedes Talent in mir verzichtet zu haben, oder nicht doch eher ein vergilbtes Relikt ohne Übersetzungsmöglichkeit, eine fragmentarische Ruine des gescheiterten Versuchs, ganz weit unten, ganz weit draußen, eine Antwort, auf eine nicht verbalisierbare Frage zu finden, die ich auch schon damals vergessen zu haben glaubte.
Der Plastikmülleimer quillt über mit den Verpackungsresten der asiatischen Fertiggerichte, die ich eben gegessen habe, um mich nicht länger leer fühlen zu müssen, oder weil mir langweilig war, oder einfach aus Hunger; vor mir auf dem Tisch, links neben meinem Laptop, steht ein halbvolles Tetrapack Traubensaft. Schöne Alliteration. Es sind die einfachen Dinge. Die kurzen Sätze. ,,Belohnung'' ,,Mut'', was sind das für Begriffe, um retrospektiv den äußeren Rahmen eines Lebens nachzuzeichnen, wie stelle ich mir die Welt vor, dass ich nicht unmittelbar über diese Worte stolpere, während meine Hände sie über die Tastatur in den Text einweben, sondern erst im Nachhinein, wenn ich wieder denke und nicht mehr schreibe, beim Lesen des Satzes, kurz die Schultern hochziehe, so wie jetzt und mich frage, wie es meinem Ich, in dem gewölbten Paralleluniversum wohl heute Abend geht, dass mich, erleuchtet vom seltsam scharf gestochenen Schein seines Laptopdisplays, aus dem über mir hängenden, metallenen Lampenschirm heraus anschaut, ohne dass ich seine Augen erkennen könnte.
Nachts, alleine in der Küche, mit verknoteten Beinen auf dem schwarzen Holzstuhl sitzend, wenn alle anderen schon lange schlafen und man vor den Fenstern nichts als Schwarz sieht, wirkt alles so seltsam konzentriert, eingekocht, verbunden miteinander, als wenn das, von der kleinen, auf der Küchenzeile stehenden Bastlampe ausströmende, goldgelbe Licht, sich irgendwie unbemerkt im Raum verteilen und mit dem süßen Geruch der grünweißen Blumen und meinen wellenartig durch den Raum schwappenden Gedanken vermischen würde, sodass daraus eine Art großer Ball entstünde, der meinen Körper verdrängt und langsam aber sicher den ganzen Raum einnimmt.
Gerade ist mir wieder eingefallen, dass heute Nacht ungewöhnlich viele Sternschnuppen am Himmel zu sehen sein sollen, was eine Lüge ist, da mir das eben schon wieder eingefallen war, ich sogar schon kurz vor der Tür gewesen bin, am Himmel aber keine einzige Sternschnuppe erkennen konnte und jetzt erst dazu komme, das hier aufzuschreiben.
Dieser Text verliert sich an dieser Stelle in der angenehmen Stille der Nacht und ich bin fast schon ein wenig traurig darüber.

Montag, 27. Juli 2015

Der dritte Typ

Wie traurig wäre ein Leben ohne Herausforderungen
sprach der Narr zu sich selbst
und schoss sich ins Knie

Freitag, 10. Juli 2015

Freitagmorgen

Du hast mir mal gesagt
früher
hätte ich dich
mit den kurzen Haaren
und der käsigen Haut
irgendwie an Mark Renton erinnert

Es wird schon wieder hell
Wollte schreiben
dass das alles
keinen Spaß mehr macht
doch musste dann
laut lachen

Die Geschichte
von der Suche
nach dem Ausweg
Ein alter Witz

Montag, 6. Juli 2015

Hey na

Du bist viel zu gut
als dass ich einfach so
ganz ohne Kommentar
daneben stehen könnte
während du
dieselben Fehler machst
die mich
haben so blind werden lassen
dass ich dich
beinahe übersah

Bitte glaub mir
wenn ich sage
ich kann dich gut verstehen
hab nicht vergessen wie es ist
sich nur an heute denkend
nach morgen zu bewegen
doch mein altersweises Selbstmitleid
wird mir oft zu viel
und alles was ich sagen will
ist, bitte bleib bei mir

Freitag, 3. Juli 2015

30°C im Schatten

Er hätte sich so sehr gewünscht nur ein einziges Mal bei seinem Mädchen bleiben zu können -
stattdessen steht dort oben, hoch am Himmel, fett und faul, randvoll angelaufen mit dunkelgelbem Erbrochenem, das niemals blinzelnde, abartig hinabstarrende Zyklopenauge, das durch den wolkenleeren Sommernachtshimmel, das verschmierte Glas der Fensterscheibe und die löchrigen Vorhänge hindurch, in seiner bleichen, dürren Brust zündelt und sticht, wütet und tobt, bis ihn der bohrend lodernde Schmerz in einem unhörbaren Knall aus dem Liegen in die Senkrechte reißt.
Die nur halbherzig gedimmten Deckenlampen brennen sich in seine Netzhaut und das andauernde Dröhnen des nutzlosen Lüfters zerschneidet jeden aufkeimenden Gedankenstrang in seine sich blutend auf dem Boden der Hirnrinde windenden Einzelteile.
Irgendetwas in ihm erwacht, verfängt sich hilflos in sich selbst, läuft bei dem Versuch, zu erkennen, was es ist, langsam zu Staub zerfallend, blau an, um dann, aus den eigenen Überresten heraus, erneut zu einem sich selbst zerfleischenden Gordischen Knoten zu erwachsen.
Er sitzt, die hässlich abgekauten Fingernägel tief in sein Gesichtsfleisch krallend, auf der nassgeschwitzten Bettkante und versucht, aus Angst vor brechenden Halswirbeln vergeblich, den sich sonst viel zu heftig schüttelnden Kopf zum Stillstand zu zwingen.
Er steht zitternd auf, stellt sich an den Schreibtisch, schreibt ihr unleserliche Notizen, die er zerknüllt und verstaut bis er es vollkommen willkürlich bei einer letzten belässt, die er ihr vorsichtig neben dem schlafenden Kopf deponiert.
Es gibt für ihn nichts Schöneres, als zu sehen, wie sie schläft, doch der Wahnsinn peitscht ihn vor die Tür, treibt ihn weg von ihr.
Als er das Gaspedal durchtritt, schreit ihn, beim Blick in den Rückspiegel, der zügellos geifernde, vor Geilheit sabbernde Wunsch an, den Wagen um den nächstbesten Baum zu wickeln -
und es hätte wirklich noch eine schöne Nacht werden können, doch er legt beide Hände ganz ruhig zurück auf das Lenkrad, fährt ohne Umwege nach Hause, schließt, wie sonst auch, die Haustür auf, legt sich in sein Bett, betrachtet aus weiter Ferne die eigene Taubheit und wartet schweigend ab, bis der erschöpfte Körper irgendwann in den Morgenstunden aufhört Signale an die Synapsen zu senden.

Freitag, 12. Juni 2015

Da war ja noch wer

Mein Kopf hat euch alle fast vergessen
hat beinahe Erfolg damit gehabt
die Erinnerung zu verdrängen
doch manchmal
so wie jetzt
da meldet sich mein Herz
und schreit mich an:

,,Du kalter, kranker Mensch.
Was denkst du, wer du bist?''

Irgendwie schade
dass die Dinge
so gekommen sind
das wollte wirklich niemand
keiner von uns.

I Saw Water

Ein Teil von mir ist mit euch gestorben
der Andere hat Angst;
kauert sich, wenn es donnert
wimmernd unter der Decke zusammen
zuckt und krampft;
liest sich mit verstellter Stimme
stundenlang seine eigenen Texte vor
um dann irgendwann, irgendwie
ein bisschen zur Ruhe zu kommen;
liegt nutzlos da;
denkt sich, es macht Alles keinen Sinn;
fragt sich so unendlich oft
warum ihr weg seid;
Findet keine Antwort.

Die Ungerechtigkeit
hat Alles zerrissen
aber die Erinnerung
an die Sommerferien
bleibt auf ewig
in Texten, auf Papier
und in den Köpfen
von uns
und unseren Freunden

Text für Teresa

Es ist Sommer
Du sitzt neben mir
Der schwarze Wagen
Schiebt sich
Mit durch die offenen Fenster
Hindurchwirbelnder Abendluft
An den hinter Kleinstadt schlafenden
Dörfern und Wiesen vorbei
Während über uns
Verschwommene Sonnenflecken
Hinter dicken dichten Wolken verlaufen
Du trägst dieses wunderschöne blaue Kleid
Und auch wenn mein Leben
Meistens keinen Wert hat
Dieser Moment ist schön
Scheinbar geht es weiter
Die Luft zittert ein bisschen
Es ist Sommer

Freitag, 5. Juni 2015

Geben und Nehmen

Grün leuchtend
frisst sich die gierige Welt
ihren Weg zum Horizont
beißt sich
eine
im Moment ihres Entstehens
zu zerfallen drohende
Einheit bildend
fest
die für
einen einzigen
alles überschattenden
Moment der Wahrheit
die Mitte allen Seins
markiert
und Antworten
auf eine Frage offenbart
die schon beinahe
vergessen war

Dienstag, 2. Juni 2015

Gegen Hässlich kann man nichts machen

Aus den stets verschlossenen Kabinentüren dringt das leise Knistern der Alufolie, gefolgt von dem Klicken der Feuerzeuge. Von der Wand gegenüber ragen metallene Pissoirs in den Raum - die Mehrheit demoliert, verschmiert, von wirr umwickeltem Klebeband verziert. Im Nebenraum das zerbrochene Waschbecken, ohne Spiegel, aus dessen Hahn Tropfen für Tropfen in Richtung vermeintlicher Freiheit rinnt. Alles eingeschlossen, umhüllt und durchdrungen von dem blauen Licht, das sich von Keramikfliesen abprallend, irgendwie in sich selbst zu verlieren scheint. Ein zeitloser, dreckiger Ort, der irgendwann einmal, einfach so, als wäre es Nichts, stehen geblieben ist und aufgehört hat, den Regeln der Realität zu folgen. Hier findet man keine Schönheit, und auch sonst sehr wenig, außer dem Leben und dem Tod.

Samstag, 16. Mai 2015

Das Kind

,,Ich denke gerade darüber nach, wie unendlich dumm sich die Geräusche anhören, die aus deinem Mund kommen, wenn du die Lippen auf und ab bewegst'' -
sagt der blonde Junge, der mit vor der Brust verschränkten kleinen Ärmchen, auf dem Boden der Straßenbahn sitzend, wie mechanisch, seine beiden, von bunten Turnschuhen umschlossenen Kinderfüße, abwechselnd gegen die geschlossenen Türen hämmert - zu seiner Mutter.
Als diese ihm entgegnet, sie könne ihm das Videospiel ''ab 12'', aufgrund der darin enthaltenen Gewaltinhalte, erst kaufen, sobald er in die sechste Klasse ginge, wird sie, mit der Begründung, dass dies ja noch mindestens zwei Jahre wären, eine Fotze genannt.
Die jüngere Schwester kniet, einen marienkäfeförmigen Rucksack auf dem Rücken, neben dem Jungen, und versucht ihn durch an den Haaren ziehen zum Aufstehen zu bewegen. Beide ineinander verschlungenen Kinder sehen bei ihrem rhythmischen Vor- und Zurückwanken eher aus wie im Spiel, als wie im Kampf miteinander.
Ein hinzueilender Alkoholiker bietet ungefragt seine Hilfe an, indem er dem Jungen halbherzig bis rüpelhaft am Arm reißt. Die verzweifelte Mutter versucht erfolglos, das selbstlose Angebot, wieder und wieder leise dankend, abzulehnen.
Die Bahn hält quietschend an, Türen springen auf, Menschen strömen hinein, strömen hinaus, der Junge schreit, die Schwester zerrt, der Trinker stinkt, die Mutter fleht - und ich?
Ich lache, und lache und lache, als betrachtete ich ein eigens zu meinem Vergnügen aufgeführtes Theaterstück.
Endstation - der Junge trottet mit gesenktem Kopf vor seiner ihn ungeduldig schiebenden Schwester her, und ich versuche gerade noch mich aufzulösen, doch schaffe es nicht schnell genug, um dem traurigen Blick der Mutter zu entgehen.

Der Soldat

Zwischen knallenden Maschinengewehrsalven und klirrend auf den überhitzten Wüstenboden fallenden Patronenhülsen, hörte niemand die viel zu lange unterdrückten, orgasmisch schluchzend ausgestoßenen Ohnmachtsschreie, die sich, erstmals in diesem Leben zu Wort kommend, im Deckmantel des umherspritzenden Blutes, unbemerkt aus seiner Seele wanden, wie Regenwürmer, deren fleischfarbene Köpfe sich unter prasselndem Regen vorsichtig tastend aus schlammigem Erdboden erheben.

Zurück in der Kleinstadt lächelt er, mit aufgequollenem Gesicht entrückt auf dem Gehweg stehend, in Richtung des wolkenverhangenen Himmels und seine glasigen Augen leuchten, wie die eines kleinen Kindes, beim ersten Zirkusbesuch. Die rechte Hand umklammert liebevoll schützend die Flasche, die Linke liegt irgendwo anders, vermutlich sehr weit weg.

Mittwoch, 13. Mai 2015

Die kräftige Aurore

Damals - als man, wenn die Morgenröte zähflüssig aus den Adern des Himmels tropfte -
stillschweigend dachte - ,,noch eine Handvoll Pillen, wird das Loch im Herz schon richten'' -
und wir, schwarzblauäugig, wie wir waren, uns der Idee verweigerten,
einen Lebensentwurf zu formen, der ja doch nur scheitern kann, und scheitern wird -
schmeckte die Sommerluft, auf eine unbeschreibliche Weise, so unendlich viel süßer.

Montag, 11. Mai 2015

Danke, danke, danke!

Sind Trauer und Angst auch nur eine Sekunde verschwunden
bläht mein Ego sich sofort auf
sie gucken, sie glotzen, sie gaffen; na und, Hauptsache sie schauen mich an

Mittwoch, 6. Mai 2015

Jahrmarktbesuch

Mein Leben
eingepackt in wohlig warmer Zuckerwatte
an deren Fäden die Worte verenden wie Fliegen im Netz

Donnerstag, 30. April 2015

Bisschen betrunken

Mein trunkenes Ich flüstert mir schlechte Ratschläge ins Ohr
tippt sich an die schweißdurchnässte Stirn, lacht sich zischend weg
Odradek

Happy Birthday Jakob

In der Luft liegt der Geruch von Collegeblöcken
und ich stehe einfach so
in diesem sterilen Schreibwarenladen herum

Montag, 20. April 2015

Zurück zum Wesentlichen

Über eure künstlich aufgebauschten Lebensläufe
muss ich lachen, manchmal weinen.
Ihr schiebt euch Filme ohne Inhalt,
auf Nichts und wieder Nichts,
dreht euch im immergleichen Kreis,
um leere Litfaßsäulen.

Nichts als ein lebenslanger Totentanz,
geistlos bis ins Grab -
inmitten all des Plastiks,
all des Glitzers,
gibt es keinen Sinn.

Und während ich
Tag ein, Tag aus
die Leere aus dem Leben,
das Nichts aus meinem Kopf
verdränge
sitzt ihr lachend da
vor einer weißen Wand
und gebt euch beidem hin,
gebt euch grundlos auf.

Ich kann es nicht verstehen,
betrachte diese Welt
versunken in mir selbst -
in meinem Kopf ein Kellerloch.

Und mein Mädchen wartet wie so oft
in dem kleinen Besucherzimmer,
an dem kaputten Holztisch sitzend,
eingerahmt von moosgrünen Wänden,
flackernden Neonröhren,
und braungrau gesprenkeltem Linoleumboden -
lächelt mich durch trübes Milchglas traurig an,
weil sie weiß,
dass das bisschen Herz, das mir verblieb
zwar für sie schlägt,
doch tief in meiner Brust
ziellos schwimmt und trunken schwankt -
um den drohend gluckernden Abfluss tanzt.

Mittwoch, 15. April 2015

Metapher für meine verkorkste Sicht auf die Welt

Das Problem mit meiner Lebensplanung ist, dass ich einfach noch nie Interesse daran hatte klarzukommen. Wenn überhaupt, dann passiert mir das gelegentlich aus Versehen. Es ist halt einfach erträglicher am Nullpunkt zu sein und sich einreden zu können, wie viel besser es jetzt wäre, hätte man eine der vielen ''letzten Kurven'' noch gekriegt (die unendlich bevorstehenden blendet man in solchen Momenten gerne aus). Macht man jedoch den Fehler, zu versuchen, eine dieser vielen ''letzten Kurven'', eine Ausfahrt von der kreativen Autobahn direkt ins ereignislose Durchschnittsleben zu nehmen, wird man alsbald feststellen, dass man dort weder die ultimative Lösung aller vorherigen Probleme, noch so etwas wie allumfassende Zufriedenheit mit dem Leben als Mensch antreffen wird.
Und jetzt stehst du dort, mit beiden Beinen im Leben, diesem widerwärtigen Sumpf der dich sicherlich nicht kampflos wieder ausspucken wird und willst dir selbst und deinen Mitmenschen allen Ernstes erzählen, dass nach all den Jahren des vergeblichen Planens, den dutzenden gescheiterten Versuchen, den unerträglichen Anstrengungen die du auf dich genommen hast um dich aus deinem selbstverschuldeten Elend zu erheben, du nachts in deinem Keller sitzt und heimlich darüber nachdenkst, dass ja vorher eigentlich auch alles gar nicht so schlecht war. Nein, das willst du nicht.
Dann lebst du so ein bisschen vor dich hin, ist ja auch nicht gerade anstrengend, so ohne Höhen und Tiefen, oder Erlebnissen, von denen man irgendwem erzählen wollen würde, denn du weißt genau, dass es niemanden, nicht mal dich selbst interessiert, dass du jetzt vegan bist, täglich Tee trinkst, joggen gehst, beim Radfahren einen Helm trägst, jeden Abend meditierst und herausgefunden hast, wie man das beste Bärlauchpesto kocht.
Das Unbehagen dass du bei der Aufzählung dieser Dinge spürst, ist vollkommen gerechtfertigt. Wie kann man nur so ignorant sein und trotz des bevorstehenden eigenen Todes, seine Zeit mit solchem Schwachsinn verschwenden?
Und so schleicht sich die Leere in dein Leben. An genau dieser Stelle trennt sich die Spreu vom Weizen: Während die einen tatsächlich aufgeben und gefangen in diesem wohlig warmen Wattebausch den Rest ihres Lebensersatzzustandes verbringen, fangen die andern irren Höllenhunde an zurück in Richtung Einsamkeit zu kriechen. Unterstützt von motivierenden Rufen von Freunden und Familie, die ihr vollstes Verständnis für diese Entscheidung zum Ausdruck bringen und dir versichern wie gerne sie sich dein Gejammer auch in Zukunft wieder anhören werden.
Hat man sich dann unter schwersten Selbstzweifeln und mit von Gewissensbissen zwickenden Waden zurück an den Nullpunkt gekämpft, wird man dort angekommen unmittelbar feststellen, dass die schön beleuchteten, kleinen warmen Häuschen, mit ihren gepflegten Vorgärten, aus denen man gerade in letzter Sekunde entfliehen konnte, von hier draußen betrachtet ziemlich einladend aussehen.

Montag, 13. April 2015

Birkenpollenallergie

Der Baum in meinem Garten
ist mir so viel lieber
als die meisten aller Menschen
und ich schau' gerne dabei zu
wie der Wind die kahlen Äste
nach vorn und hinten biegt

Dann stehe ich am Fenster
werde seltsam ruhig;
denn es ist so schrecklich schön
ein paar Sekunden still zu sein.

Mitten in der Nacht
lieg' ich schweigend wach
und hör' den ersten Blättern
bei ihrem Rauschen zu.

Sisyphos ist froh, dass er nicht ich sein muss

Außer rumliegen und Texte schreiben
ab und zu mal feiern gehen
gibt es einfach nichts zu tun

Wenn so wie jetzt die Sonne scheint
kommt es manchmal vor
dass ich verwirrt im Garten steh
um kurz nachzusehen
ob es die Welt vor meiner Tür
auch weiterhin noch gibt

Ob ja, ob nein, ich weiß es nicht
ist mir auch egal
ich schau mich um und blinzle kurz
geh dann wieder rein

Ein Tag folgt auf den andern
ohne dass etwas geschieht
und ich geb mir keine Mühe
daran etwas zu ändern
warum sollt ich auch?

Im Endeffekt ist mir egal
was um mich rum passiert
ich schau mir selbst beim Leben zu
und denke mir:
''bis hierhin lief's ganz gut''

Seit ein paar Jahren geht das schon
und wenn ich ehrlich bin
dann glaub ich auch es wird so bleiben
ganz simpel, ohne Sinn

Freitag, 10. April 2015

Grüße gehen raus an alle auf dem absteigenden Ast

Mach halt wie du meinst
Ich werd nicht sagen lass den Scheiß
Wir sind einfach keine Kinder mehr
Du musst schon wissen was du tust
Bist langsam alt genug
Auf eigenen Beinen zu stehen
Und wenn's nicht klappt
Dann ist das so
Dann komm halt damit klar
Mir selber geht's seit Jahren so
Spar dir dein Gelaber
Guck mich nicht so an
Fuck wie siehst du aus?
Leg dich endlich hin
Schlaf dich ein mal aus
Ich kenne deine Krisen doch
Kenne dich dein Leben lang
Die Hälfte der Familie tot
Einfach weg
Unter der Erde
Ich mach mir Sorgen du gehst drauf
Und so wie's aussieht
Geh ich davon aus
Falls du dich nicht mehr änderst
Vergisst wie man das macht
Kann ich dir nicht helfen
Bete heute Nacht
Ich muss in zehn Jahren nicht sagen
Mein kleiner Bruder hat sich umgebracht.

Donnerstag, 9. April 2015

Die scheiß Vögel sollen endlich die Fresse halten

Immer öfter schleicht sich, wenn der Mond am höchsten steht, der Tod in meinen Garten,
klopft an meine Scheibe und singt mit schiefer Stimme polnische Volkslieder.
Dann steht der alte Bastard einfach so im Blumenbeet und lächelt mich dumm an.
Manchmal tut er mir leid, weil ich ihn warten lasse.
Dann streife ich mir den Bademantel über, krieche vor die Tür und wir rauchen ein paar Kippen zusammen.
Er sagt mir jedes Mal, er hätte selten so einen Spinner wie mich kennengelernt.

Montag, 6. April 2015

Kurz vor Tagesanbruch

Früh am Morgen
sehen die Tannen im Garten
am schönsten aus.
Eine Minute
bevor die Sonne
beginnt zu scheinen,
zehn Sekunden
bevor der Rausch
der vergehenden Nacht
an ihren Strahlen erstickt.

Diese Sommermomente
dauern ewig
und auch
wenn der Tod auf der Veranda sitzt,
sich hämisch in sein Fäustchen lacht,
lass' ich mich nicht stören -
und lach' ein bisschen mit ihm.

Zweitausendzwölf

Es ist mir
aufgrund meiner Art zu sein
nicht möglich
mich aus der Abhängigkeit zu erheben
und alles
was mir bleibt
ist der staubig sandige Vorgeschmack
von Einsamkeit

Ich habe kein Sand im Getriebe
ich bin sand-getrieben,
liege nackt im Wasser,
doch kann den Dreck nicht abwaschen -
er ist längst in mir.

Montag, 30. März 2015

Alles easy

Wie du so neben mir liegst
mit geschlossenen Augen
und kaum hörbar atmend,
denke ich darüber nach
wie glücklich ich bin,
während ich leise lächelnd
nichts Schlechtes denkend
einschlafe.

Dienstag, 10. März 2015

Dem Genügsamen genügt seine Genügsamkeit

Nichts macht den Menschen dümmer als die Gesellschaft
Und Niemand ist einfältiger, als der Einsame
Doch ich selbst bin ein so schmerzhaft dummer Tor
Kann es mir nicht leisten geistig weiter zu verwelken
Also bleibe ich allein aus Selbstschutz und Eigennutz
Und am Ende des Tages ist mein Bett mein treuester Begleiter
Ich brauche auch keinen Urlaub, die Tapete ist mir schön genug
Und der Weg zu Klo und Küche reicht mir meist als Reise
Da spare ich meine Kraft lieber auf fürs Teekochen und Umblättern von Buchseiten.

Dienstag, 10. Februar 2015

So oder so ähnlich

Ich baue verbrannte Brücken wieder auf
um mich einer besseren Zukunft zuliebe
längst vergessenen Fehlern zu stellen

Dienstag, 3. Februar 2015

Februar

Ich kann meine Trauer darüber
dass ihr für immer weg seid
noch immer nicht in Worte fassen
doch das Rauschen des fallenden Schnees
erinnert mich ein bisschen daran
wie schön das Leben sein kann
und das Vollmondlicht
dass sich sanft über die Felder
vor meinem Fenster legt
lässt mich lächeln.

Freitag, 30. Januar 2015

Irgendwas fehlt

Begraben war ich
unter den Trümmern meiner Selbst
lag bloß noch schweigend da
betrachtete zerbrochenes Glas
und fragte mich:
wofür?

Montag, 19. Januar 2015

Trotzdem

Und auch, wenn das Hirn schon bisschen matschig ist,
das Herz bei jedem zweiten Schlag den Takt vergisst,
beiße ich die gelb gefleckten Zähne zusammen,
ignorier das lautstark schreiende Verlangen,
im Innern meines Holzkopfs, das ja doch kein bisschen mehr ist,
als die psychotische Stimme, die mir verspricht,
wenn ich nur dem Druck nachgeben würde,
nur erneut erführe,
was es heißt sich völlig zu verlieren,
zwischen weißen Lines und Bieren,
dann würde ich dieses eine Mal,
ganz im Gegensatz zum letzten Mal
(und all den unzähligen Malen davor)
Erfolg damit haben, Feuer mit Feuer zu bekämpfen,
als endete es nicht Sonntag für Sonntag in Paranoia und Magenkrämpfen,
als drehte ich mich nicht seit Jahren im immergleichen Kreis,
als wären meine Augen ohne guten Grund so ausgebleicht,
doch mit dem ganzen Schwachsinn ist jetzt Schluss,
ich habe ein paar Jahre lang nachgedacht und dann wurde mir bewusst,
das Einzige was ich noch ziehen sollte ist ein Schlussstrich,
ja, ich weiß, der Reim war schlecht, der Wortwitz nicht lustig,
aber was ich sagen will, wird deutlich,
irgendwann werde ich wieder abstürzen, aber heut nicht,
denn da ist jetzt wieder jemand, den ich mag,
und von mir aus kann's so bleiben, wie es ist, von jetzt an, bis zum Sarg.

Sonntag, 18. Januar 2015

Bekloppter Opportunismus

Ich weiß nicht, ob es mein Schutzengel, Schicksal oder Zufall waren,
die mich letzte Nacht davor bewahrten, einen Fehler zu begehen,
der mich meine schöne neue Welt gekostet hätte,
die doch erst seit Kurzem so lebendig in den Adern pulsiert,
den klaren Himmel mit einem leuchtenden Blau überzieht
und mir den Vorgeschmack einer Zukunft auf die Zunge legt,
für die es sich so gut es geht zu leben lohnt.

Samstag, 17. Januar 2015

Augustinus

Nichts fühlt so viel Trauer, als ein verlorn gegangner Geist,
der flüchtend vor der Ordnung, durch die Seelen streift,
dem dabei dennoch trotzdem, ewig davor graut,
dass er das, was er nicht will, wohl doch am meisten braucht.

Samstag, 10. Januar 2015

Prinzesschen

Deine Art beruhigt mich,
und auch, wenn das nach nicht viel klingt,
so ist es doch, für mich, soviel mehr,
als ich glaube, dir durch all die vielen Worte,
mit denen ich so gerne um mich schmeiße,
verständlich machen zu können.

Es wäre schön,
wenn du dich, durch meine Augen sehen
und begreifen könntest, was es mir bedeutet
in dir den Menschen zu sehen, der mich so begeistert,
aber ich weiß, dass genau das die Traumtänzerei ist,
die mich seit Jahren Kopf und Kragen kostet,
und auch wenn es sonst so gar nicht meine Art ist,
gebe ich mein Bestes, dir mein Ich zu zeigen,
das doch meist vor mir selbst versteckt ist,
und wieder denke ich mir, wie schön es wäre,
könntest du verstehen, wie viel es mir bedeutet,
ernst gemeint zu sagen:
Das bist du mir wert.

Doch kenne ich mich selbst zu gut,
weiß genau, wie leicht ich der Idee einer Romantik verfalle,
die dann doch nur wieder in meinem Kopf abläuft,
wieder nur für mich verständlich ist,
mich wieder mehr begeistert, als die Welt an sich,
dasselbe alte Spiel, das ich über die Jahre lieben gelernt
aber dann doch den Ausweg vergessen habe.

Für dich,
verlasse ich die Welt in meinem Kopf,
gebe ein Königreich auf,
das mir, wenn ich ehrlich bin,
mehr bedeutet als Glück, Ehrlichkeit, Liebe;
gehe den Schritt nach vorn,
für den es so lange keinen Grund gab,
verliere dir gegenüber, nicht mehr Worte als notwendig,
über all die Phantastereien meiner selbst, denen ich so verfallen,
die mich, die meiste Zeit des Tages, so viel mehr begeistern,
als all die Schönheit dieser Welt
Nein, dieses Mal schweige ich,
lasse lächelnd zu, dass sich der Fokus der Betrachtung,
von meinem Geist auf dich verschiebt,
selbst wenn damit, das Risiko einhergeht,
das mich bis heute so entstellt,
mein Fleisch auf ewig prägt.

Aber, wenn ich dich so sehe,
dann ist das alles schon in Ordnung,
dann küsse ich deine Stirn
und hoffe,
wie ich lange nicht gehofft habe,
du verstehst.

Sonntag, 4. Januar 2015

Meine wunderschöne kleine Schwalbe

Hab dich nie besessen,
wollte dich nie haben,
du bleibst für immer frei,
fliegst nur in eignen Bahnen.

Allein, dass es dich gibt,
reicht mir völlig aus,
viel Glück und alles Gute,
auf deinem Weg hier raus.