Sonntag, 29. November 2015

Randnotiz II

Das Andere springt mich an -
beißt sich fest -
durchzieht mich gänzlich;

bis beinahe nichts mehr
von meinem alten Selbst
am Leben bleibt.

Wie bereits gesagt,
die Grenze zwischen Wort und mir
scheint leise zischend zu verschwimmen;

Ich falle in den Text,
tauche durch die Zeilen;
vergesse dabei Mensch zu sein.

Samstag, 28. November 2015

Randnotiz I

Der Plattenbau im Innern –
der Riss im Schädel –
die Axt im Kopf.

Den Kontakt zur Außenwelt komplett verloren –
ein letzter Griff ins Leere –
der lange Fall ins Nichts.

Fünf Jahre konstant abwärts –
beim Blick zurück bloß schwarzer Blackout –
wer zur Hölle bin ich?

Mittwoch, 25. November 2015

Nachts sind alle Katzen grau

Das, bis vor einer Sekunde
noch auf tönernen Füßen gestandene,
durch sein leises Glitzern
die dunkle Nacht durchziehende
Glaskristall-Ego,
zerbricht, in unerträglich
zähflüssig dahinfließender
Zeitlupe,
an dem Moment -
der Sekunde -
unwiderruflicher Gewissheit,
der absoluten Vergänglichkeit,
jeglichen menschlichen Seins -
oder Werdens;
und knallt,
laut klirrend,
beinahe
die ganze Luft
der Welt zerreißend,
in Richtung
der nichtsahnend daliegend,
schneebedeckt schlafenden
November-Erde.

Die, zu tief sitzende Hosen tragenden,
Bier trinkenden Jugendlichen,
auf dem Parkhausdach nebenan -
das erst seit kurzem,
hoch oben in den Himmel ragend,
als Gold-übersäter Wunder-Dolch,
die Dachkuppel dieser Stadt
durchtrennt -
sehen so alt aus,
wie ich mich meistens fühle
und starren, lethargisch-leergekifft,
in Richtung
der auf sie zurasenden Druckwelle,
die sie - ihre kleinen Körper zerfetzend -
in die bunten Weiten dieser Welt zerstreut,
ehe sie noch ganz verwirrt
,,Boah krass ey Alter!''
rufen können.

Jakob sagte letztens,
ebenfalls Bier trinkend,
aber in etwas eng'rer Hose,
als die Assis auf dem Dach -
mit mir im Bonner Loch rumstehend -
es wäre denkbar, zumindest möglich,
man konstruiere sich,
die schwierige Beziehung
zu seinem Vater selbst -
oder eben nicht?

Spätnachts dann in der Straßenbahn,
geleerte Sektflaschen auf den Sitzen liegend,
schlägt mein Herz im Takt,
der vor den Plastikfenstern
vorbeiflackernden
Meere goldgelber Straßenlampen.

Die, an der Zimmerdecke
festgewachs'nen Spinnennetze,
tanzen zur Musik,
wenn ich sie heiser anpuste -
ich weiß nicht wie es weitergeht:
Mein Leben -
dieser Text -
das Sein -
alles scheint im Kreis zu laufen,
doch erkennt den Weg nicht mehr,
den es doch
zu kennen müssen glaubt;
und auch wenn ich,
in meinem Schreiben,
nicht wirklich gern politisch bin -
ich kann doch hören,
wie vor den Fenstern,
jetzt gerade noch weit weg -
bald vielleicht schon nah -
die Bomben detonieren.

Das auf tönernen Füßen stehende
Glaskristall-Ego
zittert angespannt -
verliert sich unvorsichtig
in fiebrigen Vorahnungen -
metastasierenden Vorstellungen -
eines lauten Knalls -
Und Dann:
Ganz Lange
Nichts.

Dienstag, 17. November 2015

Zwanzig

Bin dann plötzlich doch
aus dem Weltschmerz rausgewachsen -
so ganz ohne Warnhinweis.

Montag, 16. November 2015

Schräges Leben

Das Gute an der Sache ist - nachts läuft im Radio manchmal sogar ganz nette Musik.
Die Scheiben vom Wagen sind mit einer dicken Schicht eiskaltem Dunst beschlagen.
Jede mir auf der Landstraße entgegen geschwommen kommende Blechkiste, löst in mir das nicht zu bändigende Gefühl aus, auf die falsche Fahrbahn abzurutschen.
Die grell durch die Nacht ballernden Scheinwerfer des vermutlich völlig geisteskranken Fahrers hinter mir, jagen mich durch die gewundenen Straßen der Nacht.
Ich wechsle alle zwei Sekunden Temperatur der Klimaanlage oder Lautstärke der Musik.
An - aus - an - aus - hoch - runter - hoch - runter - aus - aus - aus!
Der Regen prasselt auf die Erde nieder, wie Worthülsen verpickelter Speedfreaks an einem Sonntagmorgen. Der Kalender antwortet auf Nachfrage, wir hätten mittlerweile Mitte November, bald sei Weihnachten, und danach käme dann das Jahr 2016 - ach du Schande.
Das Absurde sitzt lachend zwischen den Zeilen und ejakuliert sich vor Freude auf den fetten Bauch.

Samstag, 14. November 2015

Zersetzung

Wieder so, wie letztes Jahr, zeigt das ständige zur-Seite-Schauen, in der Spiegelung der Schaufensterscheiben, den Geisterkörper, wie er stoisch sich nach vorne schiebt - gleich einem Eisbrecher im Arktismeer - die auf dem Bordstein wabernden Nebelschwaden in zwei Hälften teilt.
Das Sonnenlicht erlischt, der Himmel leuchtet grau, Leute starren durch mein Herz, lösen sich dann auf.
Mein Geist brennt wie im Fiebertraum, treibt die beiden dürren Beine, bedeckt von Dreck-beflecktem Mantel, durch aufplatzende Straßenschluchten, vorbei an zuckend auf mich einstürzenden Häuserfronten, rot- und grün leuchtenden Ampelmännern.
Blonde Mädchen, fliehen schreiend, vor meinem schiefen Lächeln, ich versinke in mir selbst, ertrinke an der Welt, die Straßenbahn fährt ratternd durch die Nacht, Laternen flackern hell, ihr Licht verschwimmt zu Gold, ich lieg' besoffen auf dem Sitz, häng' halb auf dem Boden - hab' immerhin mein' Spaß.

Lyrica 150mg

Das Denken läuft ins Nichts
Die Menschenmaske schmilzt
Der Mann im Spiegel lacht

Freitag, 6. November 2015

Dass das Denken denkender werde

Ich habe mich in Text geschrieben;
mein Ich mit jedem Wort verwoben;
die Leerstellen im Selbst, durch
Zeichen aus der Welt ersetzt -
mein Sein in das Symbol verschoben.

Diese frevelhafte Selbst-Aufgabe -
gotteslose Ich-Verleugnung -
fällt, wie Luzifer, vom Himmel,
dem kalten Blau entgegen.

Die Augen bleich, der Kopf
verdreht; Wellen schlagen hoch;
kann nicht mehr trennen: Bin ich
Künstler? Bin ich Werk? Kann nicht
mehr rennen; warte schweigend -
die Flut zieht mich ins Meer.

Rheinufer im Herbst

Wie gern ich dich damals hatte.
Komisch, dass wir uns trotzdem
so sehr auseinander gelebt haben.
Als ich schlingernd wirr am landen
war, hobst du gerade ab - bist
irgendwie davon geflogen.
Ich hab dich nicht vergessen, weiß
noch heute das Gefühl, als wir
zusammen den Rhein entlang
spazierten; einen ganzen Nachmittag.
Wie es dann zu regnen anfing, ich
mich erst nasstropfen lies, nur um
dann doch, mit purpurrotem Kopf,
neben dir und unter deinem Schirm
zu landen. Wie wir einfach weiter
gingen, vorbei an deiner alten Schule
und den hohen Häusern des
Regierungsviertels. Wie ich dann,
aufgeregt, verängstigt, ohne genug
Mut, um deine weiße Hand zu halten,
mit und neben dir, auf dem
Bordstein, vor dem Haus stand. Wie der
Regen plätschernd auf den Schirm und
von ihm in den Rinnstein tropfte.
Wie das Wasser Schuhe,
Socken, Füße ganz durchnässte;
und man heute, von der
Retroperspektive aus, glauben könnte,
zu erkennen, wie hier,
an seinem Ende stehend,
ein in sich abgeschlossenenes Kapitel,
eines splitterhaften Lebens,
weggespült worden wäre, um irgendetwas
Neuem - durch das seltsame Scheinen,
der seltenen Momente, in denen Kunst
und Welt untrennbar sich vermischen -
Platz zu machen. Wie ich mich
nicht traute, dem Willen nachzugeben,
dich zu Fragen, ob es für dich
akzeptabel wäre, käme ich -
wegen all dem Regen - noch mit rein,
zu dir und schliefe auf dem Boden,
weil ich dachte, das würde dir, vielleicht
zu nahe gehen, irgendetwas verdeckt
zwischen uns Waltendes zerstören.
Wie ich dann stattdessen, mit
vollgesogenen Klamotten, den weiten
Weg zum Nachtbus lief und dann,
in diesem sitzend, eine Stunde
bis zum Bahnhof fuhr, während ich,
auf der letzten freien Seite, meines
kleinen ledernen Kalenders ein
Gedicht über uns beide schrieb.
Als ich dich das letzte Mal
gesehen habe, saß ich auf
dem Boden, stand noch nicht mal auf,
um dich zu begrüßen. Wir leben wohl -
und lebten vielleicht immer
in zwei grund-verschiednen Welten.
Im Hier und Jetzt, als die Menschen, die wir sind,
sind wir uns wohl fremd, beziehungsweise
fremd geworden, vielleicht schon immer,
fremd gewesen. Doch du bleibst
für ein paar Jahre noch, eine Erinnerung, die
tief in meinem Kopf vergraben, sich
auf ein Gefühl bezieht, das ich in der Zeit
als wir uns kannten, fast vergessen hatte.

Montag, 2. November 2015

Atlas goes to Wonderland

Alles läuft im Kreis -
der Inhalt wird zu Staub -
Erschaffen und Vernichten -
der immerselbe Kreis.

Das Wochenende endet;
Montagmittag, ich wach auf;
vier - fünf Kaffee später,
wird es wieder dunkel.

Im neugebauten Kaufhaus,
(schade um das alte)
mitten in der Stadt,
dreh ich meine Runden,
weiß nicht recht wohin.

Das ziemlich stark geschminkte,
blond gefärbte Mädel,
verfolgt -
am Infoschalter stehend,
mit ihren braunen Augen,
(oder waren sie doch blau?)
jeden meiner Schritte.

Nach meiner Meinung
guckt sie fies,
argwöhnisch
und verachtend;
doch meine Meinung
zählt nicht viel,
ist in der Regel
Schwachsinn.

Ein andres Mädchen
guckt - an der linken Kasse
sitzend -
verliebt in meine Richtung;
ich lächle aus Versehen
und unsicher zurück -
fühle mich ganz krank dabei -
nehm schnell meine Sachen
und geh zur andern Kasse,
direkt rechts daneben.

Die alte Frau,
dort sitzend,
spricht mich scheinbar an;
ich lache kurz
und gucke weg;
nehm mein Wechselgeld
und fliehe.

Beim Blick zurück,
in Richtung
von der linken Kasse,
fällt mir auf,
wie sehr es schmerzt,
zu sehen,
wie ihre trüben Augen,
traurig und enttäuscht,
in meine Richtung glupschen.

So unendlich viele Augen,
die gucken und starren,
urteilen und verfolgen,
bewerten und begehren;
mit jedem ihrer Blicke -
diesem seltsam starken Strahlen -
die - sie beinhaltende Welt -
erschaffen und vernichten,
tragen und auch stürzen,
ohne dass es jemand störte.

Und ich blicke Tag für Tag,
in tausend tote Augen,
die - was weiß ich wie - wirkend,
in Richtung
meines Körpers starren
und trotzdem doch nichts sehen;
an mir vorbei,
ins Weltall schauen.

Irgendwas verfolgt mich;
treibt mich weiter an,
manisch, wie ein Irrer,
im immerselben Kreis zu kreisen -
und steckt doch in mir drin;
währenddessen sprießen Häuser
aus dem Boden dieser Stadt,
die ich einst zu kennen glaubte;
und auch diese ist getrieben,
besessen und im Wahn.

Und ich laufe, krieche, renne,
mit weit aufgerissnen Augen -
über Nichts und Alles denkend -
durch eine Welt, die ich erfinde.

Und ich wünschte mir so sehr
ich könnte endlich wieder richtig -
eine brauchbare Geschichte -
anstatt dieser Zeilen schreiben;
doch die Tabletten machen stumpf,
mein Kopf ist fast wie leer;
es bleibt bei pubertärer Lyrik,
der Pathos ist mein Freund,
mein Schreiben oxidiert.