Sonntag, 11. Dezember 2016

Abschied

Der scheiternde Versuch eines Perspektivwechsels wirft mich auf mich selbst zurück – da ist kein Du mehr, bloß noch Ich, in mir; nur noch in meinem Kopf und meinen Texten beschwöre ich wieder und wieder ein Wir, das nach und nach dann doch verblasst:

Die Eule der Minerva beginnt erst spät am Abend ihren Flug, genau wie ich, der lange braucht sich zu verlieben, lange braucht sich dann zu lösen – hab' mir geschworen, ich werd' nie mehr der Mann, der ich vor Dir war, doch dieses fast vergessene, widerwärtig mich durchziehende Gefühl ist plötzlich wieder da – seh' keinen Sinn in diesem Leben, treibe einfach so dahin; und es fällt mir schwer mich einzulassen, auf die Einsamkeit, die, bevor Du da warst, doch so lange mein Begleiter war.

Samstagabend, die Airmax schweben auf Asphalt – gottverdammte Scheiße, hab's schon wieder nicht geschafft mich auch nur ein einziges Wochenende am Riemen zu reißen – zum Frühstück Tee und Downer.
Meine Rückwärtsgewandtheit hält mich fest, zerrt wie wild an mir – und doch muss ich erneut den Blick in Richtung Zukunft zwingen: für mich das Schwerste auf der Welt.
Und ich merke wie mein Innerstes sich zaghaft von Dir löst, weil widerwillig doch erkennt, dass es Zeit ist frei zu sein.

Du fehlst mir. Die Zeit mit Dir war schön. –
Und doch versuche ich, im Gegensatz zu sonst, das Ende alles Guten nicht als dessen Tod zu sehen, sondern glücklich zu sein über die wirklich schöne Zeit, die ich mit Dir verbringen durfte.

Donnerstag, 1. Dezember 2016

Denken heißt Überschreiten

Ich spüre wie der Winter kommt, ich nach und nach mit der ehemaligen Hauptstadt verwachse, die erhaben und träge am Rhein liegt, wie damals Marlene Dietrich, in ihrem Pariser Appartement: aufgequollen und zerfallen, sediert von starkem Schnaps  – ein letztes stures Festbeißen an einem verblichenen Mythos.
Der Nachtbus rollt, so übermüdet als wäre er Sisyphos selbst, in Richtung Rheinaue, in der ich, in gar nicht allzu lang vergang'nen Jugendtagen, Wochenende für Wochenende, mit Freunden auf Parkbänken sitzend in verschmierten Sonnenaufgängen versank, die das Siebengebirge und den Post-Tower so seltsam golden leuchten ließen, wie eingewickelt in Roche-Papier – am klaren Nachthimmel ein gierig gelber Vollmond, dem grellen Lichtkegel eines riesigen Scheinwerfers gleich, der mittlerweile komplett kahle Baumalleen in ölig-weiches Licht eintaucht.
Und ich fühl mich dieser Stadt und ihrer Historizität so merkwürdig verbunden – hin- und hergerissen, wie einst Ost- und Westberlin – doch bisher ohne Mauerfall, ohne innere Synthese. Und das Alleinsein in der Wohnung, das Alleinsein in der Stadt, erschließt mir eine seltsam allgemeine Einsamkeit, die ja letztlich doch in jedem tobt, sich niemals ganz totschlagen lässt.
Und der Wandel der Dinge lässt mich ratlos zurück: hegel'sche Vernunft in der Geschichte? – ein müder, alter Witz: im alten Diplomatenviertel werden Kinder totgetreten, direkt neben den dunkelgrünen Gräsern des Kurparks, die währenddessen im schneidend kalten Wind durch die Gegend oszillieren, wie bipolare Janusköpfe.
Und wird mir das ewig gleiche Weiß der Wände mal unerwartet doch zu viel, fahr ich tatsächlich auf den Weihnachtsmarkt – und hier, zwischen Gruppen junger Menschen, die ihr Leben im Griff zu haben glauben; achtzehnfach geklonten blond-blonden Prinzessinnen; japanischen Touristen und Jack & Jones Spacko-Jacken tragenden BWL-Affen, kann ich seltsam einfach untertauchen; rumglühweintrinkend in die Meute starren und mich dabei verwundert fragen:
Meint ihr das alles wirklich ernst?

Mittwoch, 23. November 2016

Jemand musste Atlas V. verleumdet haben

Mein in-die-Kleinstadt-geworfen-Sein hallt bis heute in mir nach –
die langen Winterwaldspaziergänge, irgendwann als Kind:
Seen zugefror'n von Eis – 
dieselben Seen, zehn Jahre später, mit Freunden auf Parkbänken sitzend,
nach Nächten ohne Schlaf – 
Rehe, scheu auf Wiesen steh'nd, Sommer ohne Endzeitpunkt,
alles voller roter Beeren.
Und die besten waren immer die, im Garten der Großeltern,
am zugewachs'nen Gartenteich, versteckt von dichtem Grün.
Kindheit verbracht vor dem Fernseher, verwachsen mit dem Bastkorbstuhl –
heute noch den Geschmack von Jahren angebranntem ALDI-Dosenfraß im Mund;
das Bild der endlos langen weißen Wand, nutzlos auf die Netzhaut eingebrannt.
Hab mich schon immer seltsam fremd – seltsam isoliert gefühlt,
bloß mein Großvater, der gute, hat mich irgendwie an diese Welt gebunden,
in ihm – neben meinen beiden Brüdern – den ersten
und letzten mir nicht fremden Menschen in diesem endlos langen Traum gefunden.
Erstes Zerbrechen an der Unerträglichkeit der Kleinstadtlangeweile, die
später beinahe zur Psychose wuchs, bis
zum letzten Atemzug wohl wütend in mir wuchern wird.
Von frühsten Kindheitstagen an anwachsender Hass auf den fetten,
verachtungswürdigen, selbstgefälligen Abschaum, der oben auf dem Hügel wohnt:
Mutter nicht da, ich allein, sollte bei irgendei'm dieser Bonzen pennen und
kriegte bloß gesagt:
,,Wir füttern dich nicht durch, guck halt wo du bleibst.''

Mit dreizehn Jahren Schule schwänzen; Eimer rauchen hinterm Schützenhaus –
ewig langes Lungenbrennen, ewig lange Traumsequenz.
Hat mir schon damals kein' Spaß gemacht, hab keine Ahnung was das sollte.
Bin seitdem ich denken kann, schlafwandelnd Richtung Hades;
handle, wenn ich handle, übereilt; mache meistens Dinge dumm.
Irgendwann dann erste Jugendliebe –
seitdem krankhaft besessen von langen schwarzen Haaren und
traurig-schwarzgeschminktem Blick.
Die paar Monate mit Dir –
dann irgendwann die erste Trennung
und irgendwas bricht aus mir raus, irgendwas, was dort schon lange lag –
und trotzdem sehen wir uns heut' zum Eis Essen oder Reden –
und ich sag Dir viel zu selten, weil ich sowas nicht gut kann,
wie gern ich Dich tatsächlich hab, wie dankbar dafür bin, dass
Du mir, durch die Vertrautheit, die Du mich dir geben lässt, 
einen Stein der Größe der Weltkugel von meinen schwachen Schultern nimmst –
also hier, an dieser Stelle, nochmals, danke für alles – ich bin froh, dass es Dich gibt.

Und nach der ersten großen Liebe, brach der kränkste Mensch der Welt auf mich herein –
bis heute diesen riesen Schaden in meinem ohnehin verdrehten Kopf.
Bloß ein Mal bei mir gepennt, mich damals schon belogen – 
ich damals vierzehn, Du noch dreizehn – wie krank, wie falsch – 
von heute aus betrachtet.
Weiß noch genau, die gottverdammte Sportumkleide, mein bester Freund steht neben mir,
neunte Klasse, kurz vor Mittagspause, deine SMS:
,,Ich bin schwanger, du bist schuld.'' –
Und Du kannst dich wirklich freuen, hast am Ende doch gewonnen –
mir fehlt ein riesen Stück des Lebens, fehlt ein riesiges Stück Glück.
Erinnerungen dräng'n sich auf: die Nacht oben in Alfter, bei meinem Bruder,
damals, als seine Mutter, meine Tante, noch lebte;
wie du mir schriebst, du hättest Schmerzen, von den Tabletten vom Arzt,
die unser Kind totmachen sollten –
Du kranker, kranker, böser Mensch.
Seitdem gärt da diese seltsam unbestimmte Wut in mir,
irgendwie die Schuld von mir zu weisen, irgendwie eine Art Sühne abzuleisten.
Und doch war auch all das vorher schon in mir, brach bloß durch Dich erneut heraus –
sogar Du, als mein Genickbruch, bloß Teil des dummen Spiels
Γνῶθι σεαυτόν.
Von da an nach und nach im dichter werdenden Nebel verschwunden –
wollte nicht mehr dieses ich-sein-Müssen, ging rapide dann bergab –
wo kommen diese Stimme her? Wie zur Hölle soll ich fünfzehn werden?
Aus blankem Hass auf diese Welt, aus blankem Hass auch auf mich selbst,
begann ein endlos langer weißer Winter, der bis heute wohl anhält –
find what you love and let it kill you, sagt der perverse alte Sack.

,,Ich fahr' schon nicht nach Duisburg, treff' bloß meine Freundin, mach dir keine Sorgen.''
Abends dann der Anruf aus dem Krankenhaus –
war nie was, außer Sorgenkind, alle paar Jahre beinahe tot.
Mit gerade fünfzehn inmitten dieser Massenpanik, werd' den Moment niemals vergessen –
das erbärmliche Schreien, die Enge, das an-den-Schultern-eingequetscht-Sein –
der Augenblick, in dem die Menschendecke sich schloss und
tausend Füße neben meinem Kopf rumtraten, ich,
als es immer dunkler wurde dachte: tja, das war's dann wohl mit dir (A).
Fühlte sich so seltsam ruhig an.
Irgendwann dann wieder wach geworden, in diesem riesen Berg aus Menschenfleisch –
mein linkes Bein beinahe tot, komplett taub und seltsam weiß,
keine Ahnung, wie lang eingequetscht,
zwischen Sterbenden und Schreienden und beidem, bis dann eben nicht mehr Seienden.
Wer weiß, was zur Hölle das aus einem macht: Mit fünfzehn Menschen sterben seh'n.

Mit nicht mal sechzehn den Schulranzen voll von buntem Gift –
schon damals in der guten alten Schwarzgoldenen, die heute noch am Haken hängt,
den Großvater für Geld belogen, dann in der Wohnung dieses Typens –
der Koffer bis zum Rand gefüllt, leuchtet gierig grell in Gold:
zum ersten Mal im Leben Macht gespürt – achtlos in den Schlund gesprungen,
stumm schreiend um mich schlagend hoffnungslos im Rausch versunken.
Since we're feeling so anaesthetised in our comfort zone –
reminds me of the second time that I followed you home:
Aus Versehen zum zweiten Mal mit der vermeintlichen Mutter meines
angeblich beinahe geborenen Kindes zusammengekommen.
Und Du hast allen Ernstes, als meine damalige Freundin, mehr als genug bei mir gekauft – 
alles auf einmal geschluckt, in der klaren Absicht, Dich selbst wegzumachen,
bloß um mir eins auszuwischen –
Dich von zehn Typen ficken lassen, 
bloß um mir ein bisschen wehzutun –
am Ende sogar meinem Bruder, nachdem dessen Mutter starb.
Als morgens dann der Anruf kam, dass meine Tante tot ist – beinahe in dein verhurtes Bett gekotzt –
hätt' ich gewusst, dass ihr Sohn am selben Abend noch, in die gleichen Laken spritzt –
ich weiß nicht, was gewesen wäre – zu grotesk, es bloß zu denken.
Kann dem Kleinen heute keinen Vorwurf mehr deswegen machen, lieb' ihn dafür viel zu sehr.
Und ich hab trotz allem Schwierigkeiten zu verstehen, wie übel die Dinge wirklich waren –
mit sechzehn alles voll von Chemie, Sperma, Blut und Tod.

Irgendwann dann meine Jugendliebe wiedergefunden –
nach drei Jahren erstmals das, was ich wirklich wirklich wollte –
doch die Narben saßen schon zu tief, statt bei Dir lieber in Köln gehangen –
ich dummes, dummes, krankes Kind.
Versucht in Holland zu entziehen, erster Urlaub mit ,,Freunden'' –
gegen meinen Willen, gegen meinen Rat, mit Spiritus gegrillt –
plötzlich lichterloh in Flammen stehend, panisch über den Platz gerannt –
in meinem Kopf nichts außer: tja, das war's dann wohl mit dir (B).
Und schon wieder – im Innern alles seltsam ruhig. 
Seitdem zehn Prozent der bleichen Haut verbrannt.
Nach den zwei Wochen Krankenhaus, wie ein Berserker geballert, trotz offen klaffenden Wunden –
rotes, blutig geschundenes Fleisch entzündet sich hässlich, verfärbt sich dunkelbunt;
bis zum drei Millimeter kurzen, verkokelten Haaransatz, in wuchernden Traumata,
haltlos fallenden Trümmern, versunken.
Heute hässlich fleckige Narben, an den einst entzündeten Stellen.
Dich am Ende dann doch wieder an meinen wütend tobenden Wahnsinn verloren, 
der doch damals erst durch Dich zum Vorschein kam.

Danach dann irgendwann, irgendwie doch noch achtzehn Jahre alt geworden,
komplett geblendet vom grellen Licht des Ganz-ganz-wach-Seins –
nichts als Schwärze, Bass und Strobolicht – zwei Jahre lang im Kellerclub.
Mein Großvater wird geisteskrank,
stirbt dann plötzlich weg –
seitdem fühle ich nicht mehr.
Außer mir war keiner da –
ein letzter lächerlicher Anruf, eine kleine kurze Nachricht –
und ich bin trotzdem nicht zu Dir gefahren, hatte zu viel Angst vor deiner Krankheit,
zu viel Angst vor deinem Wahn,
war zu schwach Dir, als mich mittlerweile hassendem,
vorher einzig für mich daseiendem Menschen, etwas entgegenzusetzen –
lagst dann drei Tage lang halbtot im Flur –
danach Notaufnahme –
danach Grab.
Und alles geht einfach weiter –
weiter, immer weiter
zieht ungebremst an mir vorbei.

Meine zweite große Liebe gefunden,
bloß um sie dann doch nur
wieder zu verlieren.

Jetzt, ohne Dich, so hilf- wie hoffnungslos auf mich –
die vorherigen 150 Zeilen zurückgeworfen;
und ich kann nicht damit umgehen –
ich kann nicht und ich will es nicht,
will, wenn ich etwas will, dann dich –
dich dich dich.

Wie sonst geht die Geschichte weiter?

Schreiben nachholen III

Und da gärt dieser riesen Text in mir, der mir unfassbare Angst einjagt;
die Sprache ist noch nicht soweit, brütet angespannt im dunkeln;
derweil, ich mich auf dem Boden windend, wie ein angeschoss'nes Tier.

Samstag, 19. November 2016

Schreiben nachholen II

Mehr Traumata als Freunde, der ganze Dreck im Kopf kocht hoch, spritzt sprudelnd aus dem Mund.
Alles voll von Blut und Kotze, die letzte Faser meines roten Fadens:
Meinen Brüdern gegenüber Haltung wahren, irgendwie ein gutes Vorbild sein.

Sonntag, 6. November 2016

Jenga II

Das Einzige, was Matthew Ellis noch mehr hasst als sein Leben, ist der Bürojob, der seit nunmehr 15 Jahren den größten Teil von diesem einnimmt.
6 Uhr morgens, der Wecker klingelt. Aufstehen, zittrig anziehen, Kokain zum Frühstück. Hektisch aus dem Haus stolpern, hektisch in die überfüllte U-Bahn quetschen. 30 Minuten stillstehen, 30 Minuten Todesangst. Das ewig gleiche mechanische Quietschen der elektronischen Schiebetür, das ewig gleiche falsche Lächeln in Richtung der zwei zwangsblondierten Zwillinge am Schalter, beim Betreten des Bürokomplex. Kurze Erinnerung an den Vorfall auf der Firmenfeier vor vier Jahren – leichte Erektion.
Und alles wiederholt sich, läuft auf ewig in gleichen Bahnen.
2001 Schritte bis zum Aufzug, 9. Knopf von links, 11. Reihe von oben. Nur um dann, trotz relativ hoher Position, eingepfercht in seiner bürokratischen Legebatterie, eingezäunt von drei, zwei Meter hohen Pappaufstellwänden, von frühmorgens, bis spät abends, hunderte von tausenden von Jahressteuerbescheid-Excel-Listen auf Ungereimtheiten zu überprüfen.
Der Aufzug rast nach oben.

Atlas Gogol, restlos zerfressen von ungebremster Flugangst, wendet sich genauso blutleer wie zittrig in Richtung seiner Klatschzeitschrift lesenden Adoptivmutter, die ihm, verdeckt von zwei kilometerweiten Sonnenbrillengläsern, zum zehnten oder elften Mal auf diesem Flug, mit einer Engelsgeduld, wie sie ausschließlich leicht angetrunkenen Müttern, gegenüber ihren stark verdrehten Kindern vorbehalten ist, mahnend rezitiert, wie sicher das Fliegen doch sei, und dass ja, wenn überhaupt, nur auf jedem 500.000 Flug etwas passierte – sodass er gerade anfängt, ihr ihren Quatsch zu glauben, als der Mann, auf dem Sitzplatz neben ihm, der bisher tief und fest zu schlafen schien, sich plötzlich schreiend zu ihm umdreht.

Matthew sieht einen Schatten auf seiner Schulter und blickt widerwillig auf – Thomas Palahniuk, ein so widerwärtiger Mensch, dass man ihm am liebsten auf die geschmacklos gepunktete Krawatte kotzen würde. Seine abstoßend trockenen Lippen schieben sich unaufhaltsam zu einem grotesken Lächeln auseinander, entblößen dunkelgelbe Zähne, einer schiefer als der and're. Schweißtropfen kleben auf der Stirn, der fette Bauch ragt, wie ohne Willen, sinnlos in den Raum hinein: ,,Na mein Freund, wie ist die Lage?'' Matthew merkt, dass ihm bedingt durch Thomas Thunfischmundgeruch tatsächlich schlecht wird.
,,Tom, was soll ich sagen? Ich denk', ich kann nicht klagen.'' –
,,Fein, fein mein Freund!' 
Stunden sickern zäh dahin.
Und Thomas, jenseits jeglicher Konvention auch nur ansatzweise rationalen Handelns, macht keine Anstalten, sich auch nur einen Meter zu bewegen; bleibt einfach stumpf stehen, wippt sinnlos hin und her.

Harry Chinaski schiebt seinen bis oben hin mit buntem Pfand gefüllten Einkaufswagen ächzend vor sich her. Heute wohl wieder kein Glück gehabt. Keinen Platz zum Pennen gefunden, nichts von der Familie gehört. Fuck, wie lang ist der ganze Stress mit der Trennung und dem Haus jetzt her? Schon viel zu lange auf der Straße. Der Älteste müsste mittlerweile aufs College gehen, Physik oder so.
Der Herbst klopft drohend an die Tür, starrt wie ein Vollidiot zum Fenster rein.
Die Straßen werden langsam kalt, der Schnaps hält auch nicht wirklich warm. Harry nimmt trotzdem einen großen Schluck – und irgendwie ergreift ihn eine seltsam leichte Heiterkeit, sodass er unwillkürlich in die Hände klatscht, während sich sein krummer Körper durch eine der wenigen Grünanlagen der Stadt schiebt, die heute in so lächerlich leuchtendem Rot und Gelb und Braun erstrahlt, dass das eigene Scheitern – erbärmlichstes, dreckigstes, menschliches Scheitern – seltsam fremd, seltsam fern erscheint.

Matthew reckt – es auf Grund des lächerlichen Anblicks unmittelbar bereuend – umständlich den Kopf, und versucht über die unzähligen von Reihen aus Büroarbeitern und Pappaufstellwänden hinweg, einen Blick aus der endlos breiten Fensterfront zu erhaschen – kriegt nicht viel zu sehen, außer flackernden Bildschirmen und stur auf ihre Tastaturen einhämmernden Arbeitsrobotern.
,,Schön, schön!'' sagt Thomas, immer noch dumm grinsend, weiter sinnlos wippend. Und Matthew, mittlerweile getrieben von blinder Verzweiflung, lässt panisch seinen Blick schweifen – bleibt auf der Suche nach irgendeinem Ausweg am Wandkalender kleben.
Und wie er noch so denkt: Bloß 104 Tage bis Weihnachten, dann kannst du dich immerhin auf der Firmenfeier mit den zwei Zwillingen zu Tode saufen – zerreißt ein ohrenbetäubender Knall den Augenblick in seine Einzelteile und Matthew Ellis segelt, selig lächelnd, aus dem 66. Stock des World Trade Centers, neben Flugzeugsitzen und Leichenteilen dem New Yorker Bürgersteig entgegen.
Und das Letzte, was er sieht, bevor er auf dem krummen Körper eines seltsam gut gelaunten Obdachlosen aufschlägt, ist, wie das schlingernde Rotorblatt, eines fallenden Propellers, in Zeitlupe von hinten angeflogen kommt und Thomas Palahniuks zögerlich-verwirrtes Lächeln in zwei blutverspritzende Hälften teilt –
Na also, geht doch!

Mittwoch, 2. November 2016

Gedanken zu: Nigel van Wieck - Q Train

Die Straßenbahn schneidet sich unbeirrt den Weg durchs wehrlos dicke Schwarz, schiebt sich ächzend vorwärts, als sei auf dieser Welt bisher nichts anderes geschehen, weiß selbst nicht recht wohin, außer: weiter, immer weiter. Die grelle Liniennummer blinzelt irritiert, erschrickt jede Sekunde ihres Seins, beim Anblick ihrer Tat, leuchtet panisch zitternd auf.
Die Neonröhren flackern träge, lassen rote/gelbe Sitze seltsam braun erscheinen. Die Türen gehen pumpend, schnaubend auf: kurzes, wildes Blinken der Straßenbahn in Richtung Dämmerung, gleich einem letzten, lächerlichen Hilfeschrei. Der Schaffner schreit, so verzweifelt wie verwirrt, in Richtung junger Menschen, sie sollen doch, um Gottes willen, bitte endlich die Lichtschranke räumen.
Die Türen gehen pumpend, schnaubend zu: Die beinahe leere Bahn rattert über den Rhein, während sich am Horizont die letzten dünnen Sonnenstrahlen mit den frisch ins Dunkel sprießenden Neonreklamen zu einem bunten Brei vermischen.
Ist es nicht ein tröstlicher Gedanke, dass, wenn immer wir verstohlen/verliebt eine von diesen, für uns so seltsam schönen Personen betrachten – deren Ausstrahlung uns ganz verzehrt, funkenschlagend alle Schichten dieser Welt durchdringt – einfach, allein schon rein statistisch, eine zumindest geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass irgendwann, oder jetzt gerade, oder später, jemand, irgendwer, uns verstohlen/verliebt anschaut und sich denkt: Ist es nicht ein tröstlicher Gedanke, das[s]... Flackern der Neonröhren schlägt mir hart gegen den Kopf, zieht mich zurück in diese Welt. –  Alles viel zu hell, alles dreht sich, viel zu schnell. Die Scheiben beschlagen, kaum Luft zum Atmen. Viel zu viel getrunken. Der Textblock fällt zu Boden. Der Bahnwaggon rotiert.


Montag, 24. Oktober 2016

T. M. A. II

Ich will nur, dass Du weißt, dass ich Angst hab, dass Du stirbst;
ganz einfach, weil du ein Mensch bist,
der mir trotz allem noch am Herzen hängt;
und das mein ich nicht als Anker, der Dich wider Deines Willens hält,
sondern bloß, weil ich will – von ganzem Herzen will – dass Du weißt,
dass, obwohl Du nicht mehr daran glaubst,
jemals durch die Nebelwand zu greifen, die Dich so dicht umgibt,
die Menschen, die Dich lieben, Dich sehen und auch fühlen.

Mittwoch, 19. Oktober 2016

In fünfzehn Minuten schließt die Bibliothek

Mein Laptop ist seit Wochen schon kaputt; runtergefallen, als ich schlechte Laune hatte. Und so sehr ich das 21. Jahrhundert auch verachte, alles was nach 2000 geschehen ist, bloß nebenher verlache, muss ich mir doch selber eingestehen, kann ich kaum noch schreiben, ohne das Klackern der Tasten, den konstant flackernden Bildschirm.
Jetzt bin ich, nachdem ich um ca. 22 Uhr noch zur Nervenberuhigung semi-wichtige Haushaltsartikel im Rewe am Friedensplatz einkaufen war – und dort ca. fünfzehn Minuten an der gottverdammten Selbstbedienungskasse herumstand, um vier Kakis; ein völlig überteuertes Fettentfernungsspray, das man, laut Packungsangabe, keinesfalls auf Holzflächen jeglicher Art verwenden sollte, was mir definitiv noch die halbe Wohnung zerfetzen wird; Vollkornbrot; Milch und eine Handvoll Habaneros zu kaufen, weil eben jene Habaneros einfach nicht im verfluchten Selbstbedienungskassenobstundgemüseselbstauswählsystem des Supermarkts verzeichnet waren und ich daraufhin noch mal zurückkriechen musste, um die elende Artikelnummer (2809146) abzufotografieren und mich dann, zu allem Überfluss, ganz so als sei das nicht alles wirklich genug Wahnsinn gewesen, auch noch zum kilometerweit-im-Boden-Versinken-peinlicherweise vor Nervosität verschluckt habe und nur noch genauso spasmisch wie errötend vor mich hingurgeln konnte, als mich die engelsgleiche Kassiererin – die ich vorher schon, absolut unauffällig, mit meinen langen Wimpern hektisch vor den blauen Augen klimpernd, angesprochen hatte, um zu fragen, ob ich die Kakis um diese Uhrzeit denn überhaupt noch qua Selbstbedienungskasse kaufen könne, oder ob in dieser Filiale zufällig leider nicht so etwas wie ein Selbstbedienungskassenobstundgemüseselbstauswählsystem existierte – von sich aus angesprochen hat, um zu fragen, ob das Bezahlen der Kakis denn nun funktionierte, wobei sie ja nicht wissen konnte, dass das Problem auf Grund eines unerwarteten Storytwists in Wahrheit plötzlich bei den Habaneros lag, was ich ihr aber auch nicht in der Lage war zu sagen, weil alles, was ich entgegen konnte, in etwa aus ,,HnnghnnnghnngHabhabhab...'' bestand –
und nachdem exakt das alles passiert war, extra noch, Kopf gesenkt, in die viel zu helle, von viel zu viel viel zu widerlichem, vergoldete Prada-Brillen- sowie die blonden Lockenhaare schmierig zurückgegelt tragendem Herrenmenschenvolk überfüllte ULB geschlichen, um hier an einem der mit der Tastatur klackernden, und dem Bildschirm flackernden PCs zu versuchen, einen Text zu schreiben –
und alles, was mir über die Lippen (beziehungsweise: die Hände) kommt, ist die absolut uneingeschränkte Verwirrung über den Mann mit Brille und Topfschnitt am Nachbar-PC, der gänzlich ungeniert, von einer mehr als stoischen Ruhe eingenommen, mit völlig übersteuertem Ton Fußball über augenscheinlich illegale Streamingportale schaut, während er nebenbei bizarre Urlaubsfotos betrachtet.
Aber das ist ja auch alles irgendwie nicht das wirklich Wahre.
Dabei gäbe es doch so furchtbar viel zu erzählen.

Montag, 26. September 2016

Des grundlos Gewordenen müde werden

Das weiße Blatt Papier vor mir schweigt mich höhnisch an,
das Knacken tief im Hinterkopf übertönt den flüsternden Verstand
und täglich träum ich, traurig lächelnd, einfach aufzusteh'n,
einen schiefen Schritt, den geraden Weg zu geh'n –
doch die Axt im Kopf – mein Dämon, mein Geier, mein Gott 
hackt in maßlos blinder Wut alles, was ich bin,
jeden Teil von meinem Sein, unbarmherzig kurz und klein,
hackt ewig auf mich ein –
wie Plastikkarten auf verschmierte Spiegelscheiben –
versinkt dabei weiter, immer weiter, in gregorsamsahaftem Fiebertraum,
ejakuliert laut lachend, ekstatisch zappelnd, eimerweise blut'gen Schaum –
und Tropfen werden Bäche, werden Flüsse, werden Seen – 
dieser Kataklysmus überrollt den Lebensbaum,
und das niemals Enden dieses Hackens zieht mein lang ersehntes,
viel zu jähes Ende, künstlich in die Länge –
wie Prometheus am Kaukasus, mit gebundenen Händen,
rennt mein kindliches Ich der Hure Kunst in ihre buntbemalten Fänge;
und jetzt wühlt sich dieses Miststück, tausend bodenlose Tiefen zeugend,
Seele, Herz, Verstand verleugnend, durch meine dicken Dämme –
hinterlässt statt Vincent bloß zerfurchte Gänge,
den letzten, lächerlichen Rest von einem schrägen Leben –
ein Untergrundrhizom verwesungsangefress'ner Schützengräben,
in denen jede noch so ausgestreckte Hand,
jeder noch so gut gemeinte Rat,
so ungewollt wie ungehört versinkt,
während mein gesamtes Ich,
samt seiner wirren Welt, im
alle Tiefen füllenden, alle Ufer überfließenden Blut unrettbar ertrinkt.

Der liebende Jesus jagt Dämonen in unschuldige Schweine

DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT IM KOPF DIE AXT 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Freitag, 23. September 2016

Matjesfilet und Salzkartoffeln

»Ich glaub, ich nehm das Lachsfilet«, ruft der sein Haar zu einer gelbblond triefend nach hinten gekämmten Tolle- sowie einen Anzug tragende, klein gewachsene BWL- oder Jura-Student, in so dermaßen quäkend bellendem Ton in Richtung Mensa-Menü-Anzeigetafel, dass ihm der vergoldete Rahmen seiner Prada-Brille nervös auf der Nase herumtanzt.

Freitag, 16. September 2016

Kraków

Ich muss ständig daran denken, wie ich in Krakau feiern war
und dieser dürre Junge in seinem Erbrochenen zusammensank,
während das viel zu hübsche Mädchen aus Manchester –
mit diesem krankhaft bösen Blick
und den langen schwarzen Haaren –
Videos davon drehte, herzenskalt darüber lachte;
sich danach Drinks von mir ausgeben ließ,
die, weil wir in einem Touristenclub gewesen sind,
viel zu teuer waren;
letztlich dann doch da blieb, um für den vollgekotzten Typ zu sorgen,
statt mit mir in den nächsten Club zu gehen.

Mittwoch, 14. September 2016

Gregorsamsahafte Missgeburt

Wenn es Dich kurz zum Lächeln bringt,
dann schneid ich mir die Adern auf,
mir macht das alles nichts,
bin ich doch gar kein guter Mensch,
bloß gut darin, Dich verliebt anzulächeln,
ganz so, als wär ich harmlos, mit meinen blauen Augen,
den tiefen schwarzen Rändern.

Innerlich so merkwürdig verwahrlost,
krieche wie ein dreckiges Insekt am Boden,
verstecke mich verstört in schwarzen Schatten.

12. September

Niemand, außer meinem Bruder,
kann verstehen, was mir Pützchens Markt bedeutet –
wieso ich Kirmes so sehr liebe –
mich zwischen sich prügelnden Assis,
dem wirren Geschrei verrauchter Ansagerinnen
und den blinkenden Glühbirnen
der durch die Nacht wirbelnden Fahrgeschäfte
beinahe so geborgen fühle,
wie damals, sonntagmittags,
im stark verrauchten Kellerclub.

Und schon wieder,
rot markiert, im vollgekritzelten Kalender:
ein Todestag –
zwei Jahre ist es heute her.

Bloß schade, dass in meinem schrägen Kopf
derselbe kranke Wahnsinn tobt,
der Dich in Dein zu frühes Grab gebracht. –
Doch, was will man machen:
Das Feuerwerk knallt prächtig,
neben mir im Dreck ein hübsches Mädchen,
im Rucksack leere Wodkaflaschen.

Montag, 12. September 2016

Przepraszam, Nie mówię po polsku

Jetzt bin ich zurück in Bonn,
der Wodka und die ballernde
Septembersonne
sind geblieben.

Sonntag, 11. September 2016

Sowas wie ein Reisebericht

In Katowice, der hässlichsten Stadt Polens,
dessen ganzer Stolz und einziges Wahrzeichen
eine UFO-förmige Konzerthalle zu sein scheint,
lag ich nachts in einem bunt bemalten
Zweibettzimmer und musste, unentwegt
ins Dunkel starrend, an unser altes Kinderzimmer
in Neunkirchen zurückdenken –
und wie beruhigend es gewesen ist,
Dich auf der gegenüberliegenden Zimmerseite –
genauso wach, genauso verwirrt wie mich –
liegend zu wissen.

Freitag, 9. September 2016

Vortag der Abreise

Langsam bahnt mein Schreiben sich seinen steilen Weg zu meinem wahren Sein:
Ich vergesse mehr und mehr zu essen, werde weniger, steige langsam Richtung Himmel auf,
muss manchmal, wenn ich schlafe, beide Beine mit einer dünnen Schnur am Bett festknoten,
um nicht vom An-die-Zimmerdecke-Stoßen aufgeweckt zu werden,
trage immer meine engste Jeans, den weitesten Pullover –
verliebt in meine Schwäche, Traurigkeit, dieses Dornenkronenreich:
Hinter trüben blauen Augen, vor der Außenwelt versteckt –
einem zerfall'nem Luftschloss gleich, das, so fern jeder Idee von Stärke, Großmut, Ehrlichkeit
ungehindert in sich selbst versinkt,
dabei doch trotzdem zum Heulen viel gefüllt mit Liebe ist,
sodass ich bis heute nicht verstehe, wie ich sie zeigen soll, ohne dass es mir die Brust zerreißt.

Die Großstadtnacht zerbeißt mein Herz, spuckt Blut und Sehnen auf Asphalt,
die Straßenbahn fährt unbeirrt, so als ging es sie nichts an, durchs dicke dichte Schwarz,
Hochhausfassaden schweigen traurig und der Mond, der alte Bastard, schaut gierig lächelnd zu.

Donnerstag, 8. September 2016

Wrocław

An meinem vorletzten Abend in Breslau habe ich eine Gruppe von 19-33 betrunkenen,
blonden, deutsch-deutschen Münchner Abiturienten auf ihrer Abschlussfahrt kennengelernt,
die alle Max, Marie, Julia, Hermann oder Friedrich hießen
und den Tag über in einem KZ verbracht hatten,
was sie aber, wie sie – neben einigen geschmacklosen Witzen über Farbige –
erzählten, weniger schockierte,
als der Unfall, dem sie wenige Stunden zuvor beigewohnt hatten:
Ein ein braunes Hemd tragender
und anscheinend unter Amphetamineinfluss stehender Fahrer
war, aus Richtung Westen kommend,
mit seinem Mercedes und geschätzten neunzig Stundenkilometern gegen einen
Laternenmast gefahren, woraufhin dieser –
also der Laternenmast, nicht der Mercedes –
nach rechts hin, einem ahnungslosen Passanten auf den Kopf fiel, woraufhin dieser –
also der Kopf, nicht der Passant –
laut knackend, Blut verspritzend, aufsprang,
auf Gerüsten stehende Bauarbeiter applaudierten amüsiert,
zwei Streifenwagen fuhren ungerührt vorbei,
der Fahrer verließ verwirrt den Wagen –
kam dann wenig später wieder –
wollte noch sein Handy aus den Trümmern bergen,
doch die mittlerweile eingetroffene Policija
winkte bloß müde lächelnd ab –
ansonsten passierte weiter nichts.

Mittwoch, 17. August 2016

ÜBER-sICHt II

Je später diese Nacht wird, desto stärker schwankt mein Ich-Begriff,
zwängt mich kreidebleich, verwirrt, in dieses elende Prokrustesbett,
hackt an den Rändern ab, was übersteht, hilflos in den Raum reinragt;
Wolkenstürme schwarzer Raben zappeln irre durch den Raum,
kann seit einundzwanzig Jahren nicht mehr trennen: Bin ich wach – ist das ein Traum?

Plötzlich steigt die Sonne auf, der Himmel schwindsuchtblau,
der Vollmond atmet panisch aus, erstirbt zu Luft und Staub,
das Bürogebäude auf der anderen Straßenseite wacht leise atmend auf,
würgt gurgelnd wimmernd Bäche graugefärbter Menschen aus.

Dienstag, 16. August 2016

Weiter, immer weiter

Mittwochabend, Ferdinand Dunst zieht mit zitternder Hand umständlich die Tür hinter sich zu und schleicht, von einer bösen Vorahnung begleitet, so leise er kann die Treppe hoch. Jedes Knarzen der Holzstufen verstärkt schmerzhaft die Verspannung in seinem steifen Nacken. Ein paar wenige Lichtstrahlen der untergehenden Sonne fallen durch die Fenster aus Milchglas hindurch ins Treppenhaus. Als ihm der Flur nach drei Stockwerken immer noch nicht vertraut vorkommt, dreht er sich – wie von selbst – auf der Stelle um und geht zurück nach unten. Vor der Haustür stehend fällt ihm auf, dass er ohnehin nach draußen wollte.

Keine Ahnung, wie lang du jetzt da warst – zwei, vielleicht drei Tage? Dieses verfluchte Sofa ist aus Kaugummi – wenigstens wird es wieder dunkel – Fuck, in acht Minuten kommt die Bahn – du musst rennen.

Das lähmende Gefühl dem eigenen Handeln bloß ohnmächtig zuzuschauen bäumt sich in ihm auf, hatte er doch, den Tag über auf dem Sofa festgeklebt, alle acht Minuten den digitalen Bahnfahrplan aktualisiert und wie so oft geplant, rechtzeitig aus dem Haus zu gehen, einmal abends heimzukommen.
Ferdinand hat seit Samstag nicht geschlafen und erwartet demnach nichts, als den körperlichen Totalausfall, ist dann aber angenehm überrascht, als er bei dem Versuch loszurennen bemerkt, dass sein Körper den ihm gegebenen Befehlen mehr oder minder ohne Widerwillen gehorcht. Während er rennt zückt er alle paar Meter sein Handy, um die ihm verbliebene Zeit zu überprüfen – vergisst, wieder und wieder, wann die Bahn denn kommt – rennt trotzdem einfach weiter.
Als er die Haltestelle erreicht, steht dort bereits eine wie wild in die Dämmerung hineinblinkende Straßenbahn bereit, deren Türen sich, samt mahnenden Worten des Schaffners – die verdammten Jugendlichen sollen doch bitte endlich die verfluchte Lichtschranke freigeben – pumpend und schnaubend zu schließen beginnen. Er quetscht hektisch einen Arm dazwischen, springt ins Innere der Bahn und setzt sich laut keuchend und schnaufend in einen der widerlich braun gesprenkelten Plastikviersitzer, deren Anblick den Wunsch sich zu übergeben tausendfach verstärkt.
Nervös starrt Ferdinand auf den Straßenbahnboden, nicht zu Unrecht der Überzeugung die anderen Fahrgäste musterten ihn kritisch bis verächtlich; weil ihm wieder und wieder der beißende Eigengeruch von Scheiße, Schweiß und billigem Drehtabak in die Nase sticht; weil er nie gelernt hat, die innere Ablehnung – Entfremdung – nicht auf alles um ihn herum zu projizieren; weil er nicht weiß, was Traumata und Psychosen bewirken; weil er Stufenbester war und dennoch die Dorfschule nach der neunten Klasse abbrach.
Dazu kann er nicht aufhören die Augen erschrocken aufzureißen, er knirscht mit den Zähnen und tippt nervöse Kurznachrichten an seinen älteren Bruder in das gesplitterte Display des Handys.

Hey, Konstantin, – ja, mir geht es gut in Köln. Hier ist es schön – hier will ich bleiben. Klar komme ich die Familie bald besuchen – vielleicht in zwei drei Wochen oder so. –
Fuck – die Leute starren dich an – nein, das bildest du dir bloß ein – noch acht Minuten hier sitzen, dann kannst du endlich wieder raus – gleich bist du zu Hause – einfach einmal einen Abend Ruhe und Entspannung – immer dasselbe Affentheater, wenn du unterwegs bist – dieses unter der Woche Durchmachen macht dich echt fertig.

Die beinah leere Straßenbahn fährt langsam über den Rhein, während sich am Horizont die letzten dünnen Sonnenstrahlen mit den frisch ins Dunkel sprießenden Neonreklamen zu einem bunten Brei vermischen.
Als sich die Türen an der nächsten Haltestelle schon wieder zu schließen beginnen, springt Ferdinand, ein bisschen schneller, als unverdächtig gewesen wäre, auf und quetscht sich erneut umständlich durch diese hindurch nach draußen.

Ich muss so dringend pissen – Fuck – ich kann nicht mehr – wo ist denn hier eine verfickte Toilette – das ist alles so unendlich beschissen – welcher Tag ist heute überhaupt? Mittwoch, oder? Ja – na immerhin, dann kannst du zur Not auch feiern gehen, geil – und dann ist auch fast schon wieder Freitag – dann gönnst du dir halt einfach am Wochenende 'ne Pause.

Mit immer noch ängstlich aufgerissenen Augen betritt Ferdinand ein Fastfoodlokal. Er starrt auf den Boden, während er eilig an den auf ihren Plastiksofas sitzenden Familien, Pärchen und Jugendlichen vorbei, in den hinteren Bereich, zu den Toiletten geht.
Ein Klomann sitzt mit geschlossenen Augen an die Wand gelehnt auf einem kleinen Hocker. Ferdinand versucht sich an ihm vorbeizuschleichen, streift den Mann aber versehentlich am Bein, woraufhin dieser seinen Oberkörper aufrichtet, die geröteten Augen aufschlägt und Ferdinand feindselig anstarrt.

»Ey, Mann! 50 Cent!«
»Fick dich selbst, du Affe!«

Ohne, dass er wüsste wie ihm geschieht, zuckt Ferdinands Körper ruckartig nach vorne, trägt ihn überhastet ins Herrenklo, lässt ihn mechanisch eine Tür aufstoßen. Er hatte seit Jahren niemanden mehr beleidigt – in seinem Kopf dreht sich alles schneller, immer schneller.

»Ey Mann, mach die scheiß Tür auf!«

Der Mann hämmert mit beiden Fäusten gegen die Kabinentür. Ferdinand entgleitet ein unkontrolliert wimmernder Laut, während er wieder und wieder mit schweißnassen Händen versucht ein kleines Plastiktütchen aus seiner zerfetzten Socke zu ziehen. Er schüttet sich, vergeblich gegen die zitternden Gliedmaßen ankämpfend, einen riesigen Haufen weißes Pulver auf den rechten Handrücken, saugt – die eine Hälfte achtlos verschüttend – die andere so gierig wie verzweifelt in sein linkes Nasenloch, springt dann, plötzlich alle Kraft beisammennehmend auf und rammt mit seiner linken Schulter gegen die Kabinentür. Der überraschte Klomann wird schreiend nach hinten gestoßen, verfängt sich mit dem Arm in einem der Becken und fällt mit lautem Knacken zu Boden. Ferdinand sprintet aus dem Herrenklo, greift im Vorbeirennen noch hektisch nach dem Kleingeldteller – sprintet weiter, immer weiter – durch den Laden, dann die Schiebetüren hindurch, zurück auf die Straße. Er läuft und läuft und läuft.

Fuck! Das war’s jetzt – was zur Hölle machst du hier?! – schnell, renn weg!

Ferdinand biegt in wahllos wechselnder Reihenfolge mal links, mal rechts ab, läuft durch fremde Straßen, blickt in verwirrte Gesichter.
Nach ein paar Minuten verlangsamt sich sein Schritt: Das Herz sticht, die Lunge brennt. Er lässt sich auf den Boden fallen und rollt sich neben der Auffahrrampe eines Parkhauses im Dunkeln zusammen. Und wie er so halb verdreht auf dem Rücken im Dreck liegt, muss er unwillkürlich in Richtung Himmel starren: Keine Wolken, keine Sterne, nur ein riesig großer, gierig funkelnder, fetter Vollmond, der sein Licht wie ein dickes, dichtes Netz über die Stadt spannt.

Fuck, dein Herz, du musst dich beruhigen – hier draußen kriegen die dich – nach Hause ist es von hier aus zu weit – lieber ins Odonien – ja, schnell ins Odonien – Fuck, du hast keine Kohle mehr – aber wenn du vorm Eingang ‘n bisschen was verkaufst, dann passt das schon mit dem Geld.

Ferdinand bleibt acht Minuten – exakt die Zeit, die sein Bruder vor ihm auf die Welt kam – in einer schmerzhaft zusammengezogenen Position liegen, richtet sich dann auf, klopft den Dreck von seinen Klamotten und fängt langsam an zurück in Richtung Straßenbahn – der einzigen Konstante in seinem sonst so wirren Leben – zu laufen. Seine Augen bleiben an einem beleuchteten Plastikbierkrug kleben: Trinkhalle – Bier 1€ – von 6 bis 2 Uhr geöffnet. Er steigt, die geklauten Münzen in der Hosentasche zählend, die Stufen zum Ladeneingang hinauf.

»Zwei Reissdorf und ein Red Bull bitte.«
»Junge, siehst du scheiße aus. Tu dir selbst und der Welt einen Gefallen und geh bitte einfach pennen.«

Das ohnehin schon blutleere Gesicht Ferdinands wird endgültig kreidebleich. Bevor dieser auch nur einen Gedanken denken kann, grabscht sein Körper die drei Kaltgetränke so unsicher wie überhastet vom Tresen, dreht sich übereilt und unbeholfen um, und springt, von einem zersetzenden Gefühl der Scham getrieben – wieder nur versagt zu haben, am Ende, ganz allein zu sein – die Treppenstufen der Trinkhalle hinab.
Der Gedanke an eine erneute Straßenbahnfahrt lässt den lang schon leeren Magen krampfen und so läuft Ferdinand zu Fuß in Richtung Stadtrand, versinkt dabei in Gedanken an seinen großen Bruder, die Einsamkeit der Stadt und das kleine Grab im Heimatdorf.
Er spielt mit der Vorstellung doch noch zurück nach Hause zu gehen, seinen Bruder von dort aus anzurufen, sich einfach mal zu melden, ein richtiges Gespräch zu führen, vielleicht sogar noch heute Nacht vorbeizukommen, endlich zuzugeben, dass es ihm schon lange nicht mehr gut geht, er so gern zurück nach früher, zurück in seine Heimat würde.zzz
Doch die Beine laufen einfach weiter, die Arme hängen stumpf daneben.
Allein schon dieses zaghafte Annähern an ein Gefühl des guten Lebens lässt die äußersten Schichten seines Innersten oberflächlich antauen. Der Augeninnendruck pulsiert, das Laternenlicht verschwimmt und alles leuchtet golden. Ferdinand fühlt sich an seine Heimat zurückerinnert, sieht sich dicht bei der Familie sitzen.

Beständig klopft der langsam fallende Schnee gegen die beschlagenen Fensterscheiben des durch die voll aufgedrehte Heizung erwärmten Wohnzimmers. Nach und nach bleiben vereinzelte Flocken kurz kleben, lösen sich dann doch, verschwinden in der Nacht. Der Teppich, auf dem er sitzt, ist durchzogen von dunkelroten, orientalischen Mustern, die sich schlangenlinienartig durch den ganzen Boden zu bewegen scheinen. Der Tannenbaum ragt mannshoch bis unter die Decke, verdrängt alles Schlechte aus der Welt, strahlt in sattem Dunkelgrün. Dutzende Lichterketten blinken behäbig im Hintergrund und alles riecht nach Zimt.
Sein einziges Gefühl, sein einzig wahrer Wunsch, ist auf ewig in diesem Zustand zu verweilen.

Als er nach gefühlten Jahren des Schlenderns durch den Spalt aus Kindheitserinnerung und Straßenlärm den Stadtteil der Nachtclubs und Bordelle erreicht, geht er – einen kurzen Blick auf die Warteschlange werfend, die ihn an seine finanzielle Situation erinnert – am Eingang des Clubs vorbei, hundert Meter weiter, dann über die Hauptstraße hinweg und den schmalen, von Brennnesseln gesäumten Weg zu den Bahngleisen nach oben. Von Handytaschenlampen erleuchtet, sitzen dort Jugendliche in mehreren Kreisen und kratzen nervös Speedpaste hin und her. Der Anblick spaltet axtgleich seinen Schädel, trennt auf ewig das, was war, von dem, was ist, zertrümmert jeden guten Willen, zerhackt fein säuberlich sämtliche Fluchtrouten zurück in Richtung Außenwelt, wirft ihn meilenweit in sein verdrehtes Selbst zurück. Und Ferdinand denkt sich, dass es eigentlich keine schlechte Idee sei, auch noch was zu ziehen – nur ein kleines bisschen –, während sein Bruder und das Heimatdorf stumm schreiend im fallenden Schnee einer sich verdunkelnden Erinnerung versinken. Dann verkauft er an zwei der Teenager etwas von seinem schlechten, viel zu teuren Speed und geht zurück in Richtung Club, fühlt sich dabei grundlos gut, sodass er unwillkürlich in die Hände klatscht.

Die Nacht über trifft Ferdinand dutzende und aber dutzende der ewig gleichen, gesichts- sowie charakterlosen Teilzeitfreunde, die ihm für den Moment als seine besten scheinen, von ihm herzlich angelächelt werden, ihm sagen, wie gut ihm seine neuen weißen Turnschuhe stehen.
Ein Augenblick der Heimat, Heimkehr, den er so oft gehabt – trotz dessen großer Strahlkraft so schmerzhaft stark verlebt hat. Ein Moment, in dem er ganz kurz ganz bei sich ist, hübschen Mädchen schöne Augen macht und vor Bekannten mit Geschichten prahlt, die, wie immer, immer nur über dasselbe reden, ganz diesem Moment entsprechend, der so hilflos schwankt zwischen ewig wahr und inhaltsleer.

Morgens kriecht die Sonne dann, sich schon beinah für das Pack, das an diesem Donnerstagmorgen von ihren zitternden Strahlen aufgedeckt wird schämend, langsam zurück an den Himmel. Das größte Bordell der Stadt leuchtet golden, beinahe mystisch. Leute in dreckigen Klamotten sitzen mit verklärtem Lächeln im Gesicht auf dem Boden herum. Ferdinand trägt eine Sonnenbrille, trinkt Bier und schaut über die Dachkante des Bordells hinweg auf die dahinter erwachsende Sonnenkugel. Langsam weicht die Kälte, eine angenehm frische Brise streift durch die verätzten Nebenhöhlen hindurch das leergedrogte Gehirn.
Hier ist es schön. Hier will ich bleiben.

Ich bin's nur

Irgendwo, unter dieser meterdicken Staubschicht
liegend, windet sich mein lachhaft gutes Leben
rastlos hin und her –
liegt dann wieder schweigend da, stellt sich
bitter schmollend tot
und wenn ich nicht grad
zwischen den immer gleichen
bleichen Schenkeln irgendeines stark gestörten
Wesens klebe
oder um drei Uhr nachts besoffen
durch die Altstadt schwebe,
gestaltet es sich doch recht schwer,
sein schwaches Strahlen
wahrzunehmen.

Samstag, 13. August 2016

13. August

Der Anruf, dass du tot bist –
wie gerne hätte ich ins Bett gekotzt;
bin dann einfach wieder eingeschlafen,
als letzter, lächerlicher Fluchtversuch

Damals noch in Siegburg, 
in den Laken dieses wirren Mädchens 
liegend, das bis heute oft mein Denken 
kreuzt, niemals wirklich ganz verblasst

»Vor fünf Jahren, zweitausendelf« –
das klingt so seltsam weit entfernt,
wie aus einer and'ren Welt –
und ist es auch

Montag, 8. August 2016

Selbst-Achtung

Wissen, was man ist und sichern, dass man ist: An-erkennend auf sich achten –
Beides braucht das Selbst zum Sein, bleibt sonst destruktiv, allein –
gar nicht mal so leicht.

Freitag, 29. Juli 2016

Endlich Sommer

Der Bonner Dauerregen zersetzt jeden festen Grund,
schwemmt Schwermut an, weicht Erde auf,
lässt ganze Straßenzüge stumm schreiend in sich selbst versinken,
ertränkt in maßlos blinder Wut allen Handlungswillen,
durchbricht selbst meine dicken Dämme,
macht mich ziellos, weich, verwirrt.

Die Anzeigen der Nachtbusse leuchten neonblau,
schweben arrogant, erhaben durch die Stadt,
schneiden messerscharf, unbarmherzig ihren Weg
durch das wehrlos dicke Schwarz,
wissen selbst nicht recht wohin –
außer weiter, immer weiter.

Endlos lange Ströme schwarzer Regenschirme
schwimmen stoisch durch die Stadt,
das Zimmer abgedunkelt,
falsch, alles falsch - so war das nie geplant.

Montag, 25. Juli 2016

Immer noch die Axt im Kopf

Als wir uns letztens kurz gesehen haben,
hätte ich Dir gern gesagt,
wie gut Du ausgesehen hast
und dass die Zeit mit Dir sehr schön war,
den nervösen Geist etwas beruhigt hat;
dass ich hoffe, dass Du weißt,
dass Du, falls Du Dich von mir
nicht ausreichend gewertschätzt fühlst,
(und ich weiß, dass dieses Wort in dieser Form nicht existiert)
definitiv besseres verdient hast,
einfach weil Du – ganz im Gegensatz zu mir –
ein wirklich guter Mensch bist.

Aber ich bin geistig eingeschränkt,
mein Herz jämmerlich verkümmert –
hab gefühlte tausendmal gestammelt:
Es tut mir so sehr leid, ich
kann nicht wissen, 
was ich fühle,
kann nicht sagen, 
was ich denke;
spucke Blut und werde stumm,
beim verlogenen Versuch,
mich andern hin zu öffnen,
nicht nur als Geist für mich allein,
sondern auch an sich ein echter Mensch zu sein.

Mittwoch, 20. Juli 2016

Auf allen Vieren vorwärts kriechen

Dreck an den Füßen, Blut an den Händen.

Schmerzherz

Diese tiefe Traurigkeit, die das Verliebtsein hinterlässt
Ganz so, als wäre vorher keine Trauer dagewesen
Und vielleicht ist gerade das die Illusion, die man so ungern gehen lässt.

Freitag, 15. Juli 2016

Ebbe & Blut

Jetzt lauf ich wieder nachts rum, rauche Kette, werfe Schatten
Kann nicht schlafen, kann kaum atmen, der Mond sticht mir ins Herz
Tagsüber dann im Bett geblieben, die Welt ganz grau, kein Sommer da

Und wenn dann doch die Julisonne scheint, schmelzen die Polkappen hinter den Schläfen
Aus blauen Augen suppt dann salzig-bitt'res Meer, versteckt von großen Sonnenbrillengläsern –
Wie ich es hasse aufzutauen, wenn dem vereisten Geist sein Ende naht

Dutzend Schwalbenschärme ziehn hektisch-wirre Kreise vor blaugrauweißem Himmel
Obwohl schon spät am Abend, lähmt die Hitze alles Denken
Hat es nicht eben noch geregnet?

Dienstag, 5. Juli 2016

Dabei hatte ich doch gerade wieder Fuß gefasst

Erwachsen Sein heißt dann wohl, ich steh den halben Tag sediert im ALDI rum:
Die Regale wurden umgeräumt, weswegen ich mich gottverlassen, ganz verloren fühl.
Dafür gibt es neuerdings bunte Limonadendosen und zuckersüßes Mischbier.

Mittwoch, 22. Juni 2016

Das Ende des Friedens: Europameisterschaft

Die Langeweile frisst mich auf
Am Bertha ist die Hölle los
Menschen schwenken Flaggen
Bahn und Taxis stehen still

Der Bahnhofskiosk hat noch auf
Fünf Bier wandern in Richtung Rucksack
Der Nachtbus pumpt und schnaubt
Ein Betrunkener schläft schnarchend ein

Die erste Sommernacht des Jahres
Kurz prasselt Regen gegen Scheiben
Dann wieder stumme dichte Hitze
Bleiche Haut strahlt hell in kaltem Licht

Die dürren Beine viel zu lang
Bizarr unter dem Sitz verknotet
Freu mich fast schon auf mein Bett
Ganz so, als schlief ich nachts.

Dienstag, 7. Juni 2016

Hegel, Hybris, Heroin (38552)

Achtunddreißigtausenddreihundertachtzig meiner Worte
haben sich im Laufe dreier Jahre,
des Denkens und des Schreibens
(sowie des Liegens und des Schweigens),
langsam angesammelt,
zu einem Babel-Turm aus Elfenbein:
So weit das Auge reicht, kreisrund um mich herum gebaut;
ganz wie beim guten Hölderlin,
durchdringt kein Laut der Außenwelt die Mauern meines Denkens;
so hoch über den Dingen schwebend, raubt mir der Ausblick alle Sinne;
bleibt mir nichts als Staunen:
Staunen über die langsam zitternd sich abzeichnenden,
Funken schlagend den Horizont bildenden,
Grenzen dieser Welt - Grenzen meiner Selbst -
die Erkenntnis, dass beides einerlei zusammenfällt;
staunen über die wirren Formationen,
in denen ich euch von hier oben,
im Kreise laufen seh -
die Luft ist dünn, ich lach' sehr viel.
Und trotz all diesem Theater,
bin ich mir keinen Meter näher;
bloß mein Geist, dieser verdrehte,
zeigt dem Nicht-Ich einen Teil von sich -
expliziert sich hin zum Wir statt Ich -
ist mittlerweile, nimmt man jeden Satz,
und all seinen Verstand beisammen,
vielleicht sogar - zumindest grob vom Ansatz her -
verständlich?

Flucht in den Begriff

Wenn am Ende dann die Sonne sinkt,
siegt immer meine Traurigkeit,
zieht mich splitternackt zu sich hinab,
klemmt mich fest in ihren schneeweiß-mag'ren
Porzellanglasschenkeln,
hängt gierig sabbernd, voll eimerweise Schweiß,
ihre nasse Zunge tief in meinen Hals,
gräbt mit spitzen, scharfen Nägeln,
Hektar Ackerland den Rücken lang,
beißt sich triefend, blutverschmiert,
faustgroße Stücke raus aus meinem Fleisch,
fickt mich hart und heult dabei,
schläft dann leise atmend ein.

Samstag, 4. Juni 2016

Katzenjammer

Ich kann weder gerade denken, geschweige denn vernünftig schreiben
Vor dem Kopf ein Brett aus Holz, Splitter stechen tief ins Fleisch
Durch die Vorhänge fällt Licht, auf dem Nachttisch kalter Tee.

Donnerstag, 2. Juni 2016

Juni

Ich musste gerade unwillkürlich an Dich denken,
als ich mir ein Curry mit lächerlich viel Zwiebel
und noch mehr Knoblauch darin kochte,
anfangs war ich verärgert –
wohl wissentlich, dass so etwas
mir erstmal öfter noch passiert,
doch dann dacht ich mir: was soll's –
ich hoff einfach, Es geht Dir gut und
in ein paar Jahren schon –
die ja auch recht schnell vergeh'n –
steht man dann sowieso
noch mal gemeinsam hinterm Herd.
Bis dahin: halt die Ohren steif und
verhalt Dich bitte weiterhin
Deinem kleinen klugen Kopf gemäß.

Mittwoch, 1. Juni 2016

Stumme Exzitation

Die Stadt versinkt im Regen, wie das Hamburg eines Siegfried Lenz Romans
Die gegenüberliegende Wand aus dunkelgrünen Blättern zittert ruhelos im Wind
Der Balkon ragt, wie ohne Willen, weit ins Straßenbild hinein, bildet Seen aus Regentropfen
Der graue Himmel leuchtet hell, vermischt sich mit dem Rest der Welt
Drei Schwalben fliegen, seit dem frühen Morgen schon, in wirrer Formation
Die Kanalisation verschluckt zwei Menschen: einen Mann mit Hut und einen von der Feuerwehr
Das Bett und Ich verschmelzen langsam, wissen beide nicht so recht wohin.

Samstag, 14. Mai 2016

Die Stadt liegt da wie abgebrannt

Das Pärchen in der Wohnung über mir fickt, wenn überhaupt, dann nachts um drei. Auf der Straße steht ein schwarzer Wagen, seit gefühlten tausend Jahren, mit ausgeschaltetem Motor, links blinkend, vor einer roten Ampel. Warme, ereignislose Nächte, alleine in der Wohnung.
Die kürzlich vergangene Winterkälte löst unweigerlich Fluchtreflexe aus: Immer zwängt man sich in dicke Jacken, hastet schnell zurück ins Warme. Der Hitze hingegen kann man ohnehin nirgends hin entfliehen, kriecht diese doch in jeden Winkel, zersetzt allen Handlungswillen. 
Ich liege völlig regungslos im dunklen Zimmer, betrachte durch die halb zugezogenen Vorhänge hindurch das goldverschwomm'ne Flimmern der Straßenlaternen, liege einfach schweigend da, treibe für einen Augenblick dahin, im Eindruck, den die Vorsommerwärme den Tag über auf meiner mittlerweile nicht mehr ganz so bleichen Haut zurückgelassen hat.

Freitag, 13. Mai 2016

Als letzter wach im Wohnheim

Es ist kurz nach zwei Uhr morgens: Ich stelle den Fernseher auf stumm und steige aus dem beinahe mit mir verwachsenen Bett, um meine Wäsche aus dem Keller hochzuholen. Seit einigen Tagen sind die Nächte zu warm zum Schlafen – ganz so, als bliebe ich nicht ohnehin nachts wach. Das monotone Rauschen der Lüftung gibt einen passablen Begleiter in der Einsamkeit, hinterlässt beim Verstummen Mal auf Mal ein kaltes Loch. Wie damals, als Kind – als man auf dem Rücksitz des Wagens einschlief und beim Ersterben des Motors verwirrt aus einer plötzlich so unerreichbar fern scheinenden, gerade noch einen sicher in ihrem wärmenden Schoß gehalten habenden Traumwelt hochschreckte.
Barfuß trete ich in den lichtschalterlosen Flur, dessen Bewegungsmelder sich erst nach einigen verwirrten Schritten durchs undurchsichtige Dunkel dazu erbarmt, zögerlich die Halogenlampen einzuschalten. Im Treppenhaus erneut dasselbe Spiel: Ich wette Nacht für Nacht mit mir selbst, wie viele Stufen ich wohl diesmal hinab in Richtung Keller schaffe, bevor ich vom unerwartet die Umgebung flutenden Licht enttarnt werde, wie ein Spanner im Gebüsch, beim Einschlagen des Blitzes in die Baumgruppe daneben. Dabei wie immer begleitet von der Fantasie, plötzlich zu stürzen, womöglich durch die trügerisch sicher scheinende Glasfassade hindurch, kopfüber hinunter auf die spärlich beleuchtete Seitenstraße zu fallen. Die elenden Treppenhaustüren sind irgendwie falsch justiert und schwingen nach dem Öffnen genauso schnell wie unbarmherzig wieder zu, erzeugen einen lauten Knall, leistet man nicht alles menschenmögliche, sie mit Hand und Fuß – beide so weit ausgestreckt, als es die jahrelang ignorierte Degeneration des Körpers erlaubt – behutsam davon abzuhalten. In der Reflexion der Glasfassade wirke ich in meinem fleckigen Nachthemd abwechselnd seltsam mager und merkwürdig durchtrainiert. 
Im Keller ist es angenehm kühl. Die Gedanken zirkulieren in ausufernden Bahnen und regen ein wenig zum Verweilen an, indem sie den Irrglauben an die Schönheit des Momentes säen, hätte man sich versehentlich ausgesperrt und sei nun genötigt, hier unten, im unterkühlten Kellergewölbe, zu übernachten. Ich bin erneut unverhältnismäßig verärgert darüber, dass man zum Aufschließen der meterdicken Waschraumtüre unweigerlich beide Hände benötigt. Dabei ist es doch ein so schönes Gefühl, schafft man es, selbst relativ widerspenstige Türen, durch geschicktes Drehen und Ziehen des Schlüssels im Schloss, einhändig zu öffnen, während man in der anderen Hand – zum Beispiel – lässig schwere Lasten balanciert.
Wieder oben angekommen, lese ich die letzten Seiten vom Liebesleben der Hyäne und schaue dem Himmel beim langsam blau oder grau oder gold werden zu; schlafe irgendwann dann, ohne es zu merken, ein, noch ehe ich abschließend sagen kann, was denn jetzt genau von alledem.

Sonntag, 8. Mai 2016

Draussen regnet's - nich' nass werden geht nicht

Der nicht abgeschickte Brief an dich liegt sinnlos in der Ecke rum;
Sonnenlicht flutet ungefragt die Wohnung;
ich tiger ruhelos von Links nach Rechts – die Axt im Kopf so schwer wie nie.

Rhein in Flammen

Die weißen Rückstände in den Plastiktütchen auf dem Schreibtisch sprechen Bände;
Sonnenaufgang für Sonnenaufgang rollt das Fahrrad über Altstadtstraßen,
ehe das erneut von mir Besitzergreifen des über allen Dingen Schwebens
mich um Jahrhunderte nach hinten wirft -
ich schlaf nicht mehr, und ess' nicht mehr - verwachse langsam mit der Stadt.

Samstag, 7. Mai 2016

Glückwunsch zur schnellen Umorientierung deinerseits

Schon wieder im Hellen nach Hause gekommen;
jetzt ist also endgültig Schluss -
der freie Fall streckt gierig seine Finger aus.

Donnerstag, 5. Mai 2016

Trying to remember - trying to forget I

Gestern schrieb ich darüber,
wie wir nachts am Gitterfenster 
der Wohnung deines Vaters
gesessen, geraucht und
runter auf die Straße geschaut haben;
irgendwie taucht in letzter Zeit
immer wieder mein Balkon
in meinen Texten -
und unter meinen Füßen auf,
auf dem ich jetzt nachts alleine
sitze und rauche
und runter auf die Straße schaue.

Mittwoch, 4. Mai 2016

Nichts erlebt, nichts zu erzähln

Bin so down, nicht mal das Ritalin knallt richtig
immer wieder läuft mir
dieser Typ über den Weg
grüßt und grüßt und grüßt
kenn' weder seinen Namen
noch den Rest von ihm
hab wohl wieder irgendwas verpasst
erste heiße Maitage
kündigen den Sommer an
der Himmel blau
so blau
schrieb am liebsten jeden Tag
einen kleinen Text darüber
Blütenpollen werden durch die Stadt gewirbelt
in der Bibliothek hört man jetzt öfter jemand niesen
im Drogeriemarkt sitzen jugendliche Mädchen
verzweifelt auf dem Boden
vor dem Fotoausdruckautomaten
trinken kaltes Wasser
aus diesen komischen kleinen
Papiertütchen
die es irgendwie nur hier zu geben scheint
sehen alle so
ernüchternd langweilig aus
tragen hochgeklappte Sonnenbrillen
auf dunkelbraunem
oder schwarzem glatten Haar
seltsam einheitliche Oberteile
schwarze Hosen
und viel zu teure Turnschuhe
starren genervt auf ihre Smartphones
atmen affektiert und laut
sind so beliebig wie auch dämlich
eine wie die andere
das Versicherungsgebäude gegenüber
beruhigt manchmal die nervösen Nerven
wenn ich unvorsichtig schwankend
gegen die Balkontür laufe
und mir kommen fast die Tränen
vor lauter Freude
über die Gewissheit
dass ich mir keine Sorgen machen muss
danke danke danke
liebe HUK-COBURG
wenn ich mal falle
fängst du mich wieder auf.

Dienstag, 3. Mai 2016

Endenich, Entenstich, ich hoffe ich verende nich'

Wollte eigentlich längst schlafen
doch das Herz schlägt viel zu schnell
steh' auf dem Balkon
rauche gedrehte Zigaretten
auf der Straße fährt ein Bus vorbei
die grün leuchtende Anzeige
verschwindet langsam in der Nacht
hinterher ein Krankenwagen
grelles blaues Licht
dröhnende Sirenen
die Bäume gegenüber
blühen langsam auf
und ich merke wie ich sinke
irgendwie verschwinde.

Montag, 25. April 2016

Ende April

Leise klopft der langsam fallende Schnee gegen die endlos scheinende Fensterfront der Universitätsbibliothek. Nach und nach bleiben vereinzelte Flocken kurz kleben, lösen sich dann doch, werden zu Wasser. Post Tower und Kennedybrücke scheinen irgendwann im Laufe des Abends einfach unbemerkt von der Dunkelheit verschluckt worden zu sein.
Alles fühlt sich an wie Weihnachten: das irgendwie legitimiert wirkende, angeregte Wachsein, spät am Abend; das goldverschwomm'ne Licht, die schleierhaft verwischte Sicht; das grundlose Gefühl seltsam entrückter Erhabenheit; das zeitlos-stille Aufgehen im warmen Schoß des Augenblicks.
Eine befremdliche Momentaufnahmen: die Spiegelung meiner selbst, seltsam weit entfernt, verzerrt, im bordeauxroten Hemd. Dahinter flackernd vom Rheinufer emporsteigend, zielloses Blaulicht, trichterförmig in zaghaft blühenden Baumkronen rotierend. Drei oder vier Scheinwerferpaare schieben sich quälend langsam die feuchte Straße entlang, verweilen kurz verwirrt, trotten dann unbeirrt ihrer unergründlichen Wege.

Aus Versehen oder unterbewusst oder aus einem anderen mir unerfindlichen Grund, habe ich mich heute Abend ausgerechnet genau so hingesetzt, dass sämtliche sonst Anwesenden mich, wenn sie denn wollen, ungehindert ansehen können. Es ist Sonntagabend, kurz nach zweiundzwanzig Uhr, der Lesesaal so gut wie leer und mein Leben hat nur Wert, wenn man es bemerkt.
Ich lächle lächerlich ehrlich wirkend, während ich bemerke, wie ich in einer Mischung aus tatsächlicher Nachdenklichkeit, Absichtslosigkeit und stumpfer Affektiertheit, beinah andächtig meinen müden, indes klaren Blick hebend, kurz die aus der Ferne wie zwei große schwarze Oliven scheinenden Augen meiner Reflexion fixierend verharre, um dann weiter, zum oberen Bereich der Fenster und schließlich dem Ende der schweren Säulen, der Zimmerdecke, mit ihren in unverständlichen Formationen angeordneten Überwachungskameras und Kunststoffplatten zu schweifen. Ganz so, als bemerkte ich sie nicht, die Beiden, die mich unangenehm ausdruckslos anstarren: ein Mädchen, dunkle Haare, schöne Augen, rotkarierte Jacke und ein junger Mann mit bösem Blick, Kopfhörer tragend, über ölig zurückgekämmtem Haar.

Ich kann letztlich nicht mehr trennen, was ich glaube, was ich weiß und was ich schreibe. Was ich bin, zerfließt zu Text. Ungebrochen hin- und hergerissen in den Widersprüchen dieser Welt, der Axt im Kopf, dem tiefen Spalt im Innerstem vom Selbst.

Ein paar Stunden noch verbleibt die Nacht, mit der Sonne dann wird alles Rauch.

Dienstag, 19. April 2016

Blaue Lippen zittern leise

Wie ich morgens um halb fünf,
splitternackt, in meinem Bad rumstehe;
versinkend in den beiden,
schräg durch die dicken Schlieren,
des verschmierten Spiegels schielend,
tief unterlaufen, gierig funkelnd,
endlos-schwarzen Vollmondaugen;
in denen sich die bis zum Anschlag aufgestaute,
kalte Leere,
zwei heilloser Jahrzehnte zeigt;
sich inmitten dem flackernd blendenden Neonlicht;
dem dumpf dröhnenden Kopfschmerz;
und der schief verschwomm'nen Sicht,
mit der schneeweiß-dünnen Haut vermischt;
die sich unerträglich eng,
über dürre Knochen
und lachhaft spitze Rippen spannt;
die, steilen grauen Felsen gleich,
weit und wirr,
nach vorne,
in den kleinen Raum reinragen;
vor lauter blinder Wut,
die viel zu dünne Luft,
in blutverschmierte Streifen schneiden.

Ich würd' so gerne einfach kotzen,
sodass die bunte Suppe,
in endlos langem Schwall,
auf den grauen Boden läuft;
immer weiter kotzen,
bis einmal irgendwann,
dann endlich alles raus ist.

Und alles, was passiert,
ist, dass ein paar - mir fast schon fremde - Tränen rollen;
und ich mich zwei-drei Stunden schlafen leg;
verwirrt und einsam - Erlösung knapp verpasst.

Freitag, 15. April 2016

Hanami

Ich saug' die Trauer ein wie Luft,
komm' nicht los von diesem Quatsch;
die ganze Stadt versinkt in Kirschblüten -
ich mach' derweil schon wieder Nächte durch -
seit zwei Wochen kaum gepennt;
am Frühlingshimmel zwei - drei dünne Wolken,
darüber blass der Sichelmond;
die Wohnung voll mit Müll,
das Bettzeug krumm und schief,
in der Spüle Essensreste;
rastlos schlägt das Herz,
treibt mich hektisch vor die Tür;
ich trinke Bier anstatt zu essen;
wachse fest am Nachtbussitz;
verliere mich
im fremden Blick
der Reflexion im Spiegel -
verschlucke meine Zunge,
beim Versuch zu sagen,
was ich denke.

Donnerstag, 31. März 2016

Zukunftsmusik

Ein Leben wie von Geisterhand -
die Brücke baut sich selbst ins Nichts;
ich geb' bloß die grobe Richtung vor.

Montag, 28. März 2016

Alle guten Dinge haben etwas Lässiges und liegen wie Kühe auf der Wiese

Ich bin am liebsten nachts wach
und denk' darüber nach,
dass es eines Tages patsch
macht
und man dann einfach
weg is';
dass über unser'n Köpfen,
stets die schwarzen Geier,
in ihren ewiggleichen Runden
kreisen;
fühl' mich irgendwie
nur halbwegs frei,
in den Momenten,
lass' ich,
mit tiefschwarz unterlegten
Augen -
aufgeweckt ins Leere starrend -
für ein paar Stunden
die Gedanken
schweifen;
sitze,
vom grellen Schreibtischlicht
geblendet,
einfach so
nur da -
der krumme Rücken
unruhig zwischen
Stuhllehne
und Tischplatte pendelnd;
das kleine bisschen Helligkeit,
sich so
herzerwärmend seltsam -
wie ich,
zu meiner besten Zeit -
mit meinem
schrägen Denken
mischend -
pulsierend,
eine kleine Insel,
inmitten dunkler Nächte
bildend;

und,
wer weiß denn schon
was morgen is'? -
keine Zeit
für'n Blick nach vorn,
beim Alltagsstress,
der mich zerfrisst -
mein Fieberhirn
in Flammen setzt;
nur in Momenten,
so wie jetzt,
da zieht die Lunge hektisch Luft -
will der Körper leben,
will noch Mensch sein;
atmet frei,
fühlt sich lebendig -
durchdringt die sonst
so dichte Schicht,
aus Trägheit /
Lethargie -
die Ansicht,
alles Sein
verläuft ins Nichts -
Panik /
Hysterie;
doch in diesem
einen Augenblick,
scheint alles
gut,
so wie es ist -
leuchtet hell;
weist mir den steilen Weg;
und das, was war,
löst sich leise zischend auf -
wird zu buntem Rauch;

die Frage,
wer ich bin,
scheint obsolet -
fließt doch alles,
fadenhaft -
sich selbst sehend -
in meinem Kopf zusammen -
verbalisiert,
so gut es geht,
das innerste Prinzip,
das alles hier zusammenhält:

Ich bin
dieser Text -
und alles andere,
was ich so schreib;
diese Nacht -
und jede weitere,
die ich hier sitz';
dieser Moment -
golden leuchtend,
sich in einen
Kontext einbrennend,
größer als er selbst -
sich manifestierend,
als Stützpfeiler der Welt;
der Wunsch nach mehr
sowie der starke Drang,
nicht sinnlos zu vergeh'n -
noch in stumpfster Leere
Hoffnung seh'n;
der Versuch,
tief aus dem Innersten
der Dinge,
das ihnen innewohnende
Gute
unversehrt ans Licht zu bringen -
in den Armen der Vernunft,
emporsteigend mit engelsgleichen,
gold'nen Schwingen;

Sonntag, 27. März 2016

Danke

Auch nach alledem,
ist es weiterhin
ein gutes Leben -
wenn ich morgens
um halb acht,
angesoffen heim komm'
und sich der Himmel über Bonn
ganz allmählich rot färbt;
auf der Straße die Sirenen heulen;
in den Bäumen die paar Vögel zwitschern;
die Hydraulik der Nachtbusse pumpt
und das Klackern der Tasten,
beim Schreiben der Texte,
sich zu einem Sound vermischt,
der sich nach Heimat -
ja, Geborgenheit anfühlt.

Mittwoch, 23. März 2016

Diamonds Aren't Forever

Die ganze Nacht draußen gesoffen -
keine Ahnung was das soll;
durch die halbe Stadt gelaufen,
zum Teil total verpeilt in Nachtbus
oder Bahn gestolpert;
morgens um halb vier,
'paar Reissdorf auf Gleis 1 getrunken -
keine Ahnung was das soll.

Einfach nix zu tun -
ich treib' mich draußen rum;
kauf' mir Tabak
obwohl aufgehört zu Rauchen,
wünsch' dem Typ am Nachtschalter
noch 'n ruhigen Abend;
schenk 'nem Penner zwei ganz gute Bücher -
brauch' meine Kohle selbst noch,
für mehr Bier
und morgen irgendwann
vielleicht auch was zu Essen.

Heute Nacht nix los auf den Straßen -
keine Ahnung was das soll -
ich lauf' besoffen durch die Stadt,
vorbei an abgefuckten
Passanten, auf dem Weg zu ihrem Job -
ich kipp' besoffen zweimal um,
im ersten Bus, der fährt.

Sehe aus wie Kraut und Rüben:
Hälfte Junkie - Hälfte Schnösel:
schicke schwarze Lederschuhe,
darüber abgeranzte Alki-Fahne -
keine Ahnung was das soll,

Die Tür geht auf,
ich fall' aus Verseh'n in's Morgenrot,
bahn' mir meinen Weg,
in Richtung rettend warmem Bett,
vorbei an fremden Gesichtern,
mich irritiert bis wütend musternd -
keine Ahnung was das soll.

Der iPod hat noch Akku,
das Kölsch geht echt gut rein -
6.30 Uhr: erste zarte Sonnenstrahlen;
endlich 'bisschen Frühling -
kaum noch kalt,
da vor der Tür;
ich kipp' kurz schwankend um -
schon wieder auf dem Boden -
hier unten doch noch
Kältereste wabernd -
fies durch  Mantel
bis in meine Lunge ziehend;
steh' aber fast direkt auch wieder auf;
Leute geh'n zur Arbeit,
gähn' übermüdet,
halb im Schlaf -
meine Kleidung voll mit Schlamm;
das Kölsch schmeckt richtig gut -
keine Ahnung was das soll;
mein Kopf tut langsam weh.

Mittwoch, 16. März 2016

Back to Drama

Jede einzelne Empfindung
ironisch überzeichnet,
jeder Eindruck der fünf Sinne
wirkt zwanzig Stunden nach;
die letzten Jahre
irgendwie zu krass,
um weiter eingepackt in Watte -
lauwarm süßer Blindheit -
einfach so nur vor sich hinzuleben:
der dünne Filter zwischen Welt und mir,
langsam splitternd weggebrochen;
alles um mich rum,
stets ungewollt in mich hinein am Kriechen.

Meilenweit entfernt,
von Fuß auf festem Grund;
irgendwo zwischen strahlend reinem Geist
und dem Elend Mensch zu sein,
ans uralt-morsche Kreuz genagelt,
am selbstgestrickten Galgen baumelnd;
eingeklemmt im Zwischenspalt,
diesem stets sich selbst,
beim hasserfüllt sich selbst Zerfleischen,
im Spiegelglas der Wand,
des selbstgebauten Käfigs,
zwischen sich und Rest der Welt,
beobachtenden Paradoxon,
das denkt, dabei doch niemals wirklich weiß,
atmet, obwohl denkend,
dass sicher wissend, dass vergänglich,
und traurig lächelt, trotz dem Schlechten -
als dichte, feste Fäden,
teerschwarz das Innerste der Welt
durchziehend.

Isoliert durch Raum und Zeit am Treiben,
niemals wahrer Teil vom Sein;
entweder letzter echter Mensch
oder doch bloße dummer Narr:
zu egozentrisch, stur, narzisstisch,
von einem Selbstbild abzurücken,
beliebig schwankend zwischen
tragisch scheiterndem Märchenheld
und unbeschränktem Herrschergott,
der eigenen Gedankenwelt;
der falsche Glaube an die Kraft,
zumindest theoretisch,
das Ruder doch noch rumzureißen -
im Überraschungseffekt aufgehend
aus dem Nebel
phönixgleich in Richtung Licht zu steigen,
die lange Nacht beendend,
die Scherben dieses Lebens
wieder glücklich,
wieder heil zu machen.

Was du sagst, bringt mich zum Lachen;
schenk dir dein jovial dahingehauchtes:
,,lass doch einfach ein Mal Gutes gut sein'' -
und dein selbstgerechtes Ratgeschlage,
dies respektlose mich Zuzutexten,
es sei in Wahrheit alles halb so wild:
jenseits meines Denkens,
blühten alle Blumen bunt
und Menschen tollten fröhlich,
kindergleich auf grünen Wiesen,
im warmen Licht der Sommersonne.

Wie soll ich bitte gerade gehen;
auch nur annähernd vernunftgeleitet
auf meinem viel zu steilen Pfad
durch dieses unerfüllte Leben schreiten,
wenn doch jeder fremde Blick
in Bus und Bahn,
Supermarkt und Treppenhaus,
der aus Versehen
oder Absicht
für mehr als zwei Sekunden
an meinem Körper kleben bleibt,
sich tief ins weiße Fleisch
reinbohrt;
rücksichtslos zerstört,
was doch zerbrechlich
dort versucht,
sich halbwegs zu behaupten,
gegen Stress und Panik,
im Nicht-Ich nichts als Hass zu sehen;
und nicht zu wissen,
wie man aufhört,
Ablehnung, von irgendwo weit unten -
tief aus dem Innersten des Inneren -
nach außen hin zu projizieren -
in jedem Augenpaar zu sehen,
das feindselig um sich starrend,
durch die Straßen vor der Tür
und die Flure aller Häuser
streift.

Diese verfluchte,
verzweiflungeborene Konstruktion;
festgefahren im Gehirn;
der fette Dämon Ekel,
genüsslich meinen Geist zersetzend;
die Unfähigkeit,
der Erniedrigung,
nicht mehr als Teil vom grauen Rest -
gesicht- sowie talentloser
Hanswurst zu sein -
unbeschadet zu entgehen;
in diesem Leben nichts zu reißen,
am Ende ungehört zu sterben;
als sei es metaphysische Notwendigkeit,
dass Tag auf Tag bedeutungslos verschwindet;
einfach langsam oxidiert;
und egal wie sehr ich kämpfe,
tobend, schreiend um mich schlage,
das Netz, in dem ich sitze -
Hälfte Spinne - Hälfte Fliege -
hält mich fest in seinen Armen,
schützt vor dem Gedanken,
eines Tages zu versuchen,
sich selbst zu überwinden,
nur um dann doch daran zu scheitern.

Irgendwie fast schön hier unten,
kenn' mich langsam ganz gut aus -
nur der Weg nach draußen,
scheint im Gewühl der langen Gänge
verschollen, unerreichbar;
jetzt sitz' ich hier und warte,
weiß nicht mehr Recht worauf,
die müden Augen halb geschlossen,
das Blau schon seltsam ausgebleicht;
den Lauf der Dinge fließen lassend,
verharre schweigend in mir selbst;
träume manchmal heimlich davon,
dass mich eines Tages jemand rettet,
den ich dann dafür nicht verachte -
bin bloß ein dummes krankes Kind.

Dienstag, 8. März 2016

Die letzten Winterwochen sind irgendwie immer auch die komischsten

Keine Perspektive mehr,
stattdessen nur noch
Brett vorm Kopf;
nicht mal Lust zu schreiben,
der Stift zittert widerwillig
in meiner grauen Hand;
das Gekrakel auf dem Blatt;
der Schlamm in meinem Hirn;
die Dinge vor der Tür:
alles ohne Sinn;
versinkend,
in wirr sich vermischendem
Nebel;
feinkörnigem Treibsand;
kilometerweiten Hochhausfassaden
oder sonstigen Billigmetaphern,
die das Scheitern der Verbalisierung,
des Scheiterns des Lebens an sich
verzweifelt zu versinnbildlichen versuchen;
Worte fließen einfach weg,
verlaufen nach und nach im Nichts,
diesem ewigen Nemesis;
diesem hinterhältig
selbst noch dem vielversprechendsten
Anfang innewohnenden,
unausweichlichem Ende vom Lied;
diesem über meinem Kopf schwebenden -
und dennoch
mich erst einzig
und überhaupt antreibenden
Damoklesschwert;
verschwinden einfach so
im unbegrenzten Geist;
ertrinken ungehört
im grausam weißen Strahlen,
des leeren Blatts Papier;
die Lunge kollabiert,
der sich langsam
selbst zerquetschende
Körper,
weiß nicht mehr wohin,
findet keinen Kanal;
keine Fluchtroute nach außen,
für die bis zum Zerreißen
gesteigerte Anspannung
und in Fieberbrand stehende
Verwirrung,
in jeder Faser seiner selbst;
jeder unnütz dahinvegetierenden Fettzelle;
jedem noch so winzigen Hautpartikel
und jedem repetitiv sich wiederholenden,
kläglich scheiternden Versuch,
einen Gedanken zu denken,
nicht hinauslaufend auf:
,,dein Hirn ist Matsch - gib endlich auf''.
Andauernde Magenkrämpfe,
pulsierende Kopfschmerzen und
das Gefühl vor Schwindel kotzen zu müssen,
als wäre ich besoffen
und übermüdet
an eine nie enden wollende Achterbahn gebunden,
die beschallt von Karnevalsmusik
ihre Runden auf dem AfD-Parteitag dreht.
Unruhig geht die Welt zu Grunde -
selbst mein ewiges Imbettrumliegen
wirkt so seltsam hektisch,
dass der Typ von nebenan
nachts schweißgebadet wachliegt,
und Fingernägel fressend,
heulend seine Wand anschreit,
ich soll doch bitte endlich klarkomm'n,
er hält das nicht mehr aus.
Ansonsten regt sich nichts,
der Himmel immer grau,
ab Abend dann meist schwarz;
wenn überhaupt etwas geschieht,
dann, dass der Regen anfängt
oder endet
auf den Bordstein vor dem Haus zu fallen.
Ich gehe selten vor die Tür -
also alles wie gehabt;
das Zimmer totenstill,
bis auf Kühlschrank oder Lüftung,
deren konstant leises Summen
munter hin und her oszilliert
zwischen angenehm und
monoton -
eigentlich das Schönste momentan.
Nachts sind alle Straßen leer;
das Treppenhauslicht aus;
ich spreche flüsternd mit mir selbst.

Freitag, 19. Februar 2016

In The Summer

Wir, auf der Kennedybrücke;
der Himmel blau, alles vibriert;
das Warm der Sonne
sich im Rausch behutsam
mit dem Blau des Himmels
und dem Grau der Brücke
zu dem Gefühl Sommerferien
vermischend.
Höre ich, so wie jetzt,
den Song, der damals lief,
ist das ein Moment der Freiheit -
ein paar Herzschläge,
höher als der Zaun in meinem Kopf;
der Geruch des Rheins
und frisch gemähter Wiesen,
plötzlich alle Räume flutend;
die Bäume vor dem Fenster
schmelzen einfach weg;
der Geist belebt das gut versteckte,
tief in mir dennoch ungebroch'ne Bild:
das Dunkelrot des Himmels,
beim lang ersehnten,
die Welt in kathartischen Brand setzenden
Sonnenuntergang
über der Rheinaue -
für ein paar Jahre unser zweites
und das heißt eigentliches
Zuhause,
wo man tagelang auf Wiesen saß,
sich mit seinen damals besten Freunden
ordentlich das Hirn wegschepperte -
wütend auf die Welt genug,
den verlorenen Verstand
unkommentiert
in Kauf zu nehmen,
vor lauter blutgeleckter
grenzenloser Gier auf mehr -
mehr von diesen warmen Sommertagen,
mit unendlich weiter Himmelskuppel;
dem feuchten Zungenkuss von Gott,
in Form von zuckersüßem Mischbier;
schwarz verspiegelten Sonnenbrillen;
einem bis über beide Ohren
in die verzerrte Fresse gemeißeltem,
grade milchzahnfreiem breiten Grinsen
und dem festen Glauben an die Heiligkeit
des Draufseins -
so als käme danach nichts mehr;
als sei das jetzt die allerletzte Antwort:
zwar frisch entdeckt,
doch von heute an für immer geltend;
zu naiv-jugendlich
für dieses diffuse etwas,
die fiese Reue am bitteren Ende;
die ehrliche, echte Reue, darüber
sich für den schrägen Weg
und gegen das mittlerweile
weit entfernte Seelenheil
entschieden zu haben;
die erst ganz weit hinten,
irgendwann dann anfängt,
aufdringlich sich zu melden;
sich als Schleier über Augen legt,
Gedanken stets mit Grau durchzieht,
und Hoffnung im Selbsthass ertränkt.
Einfach nur Sommerferien;
Sommerferien in Bonn;
Sommerferien mit seinen besten Freunden;
ohne ein klares Bild von sich;
ohne eine Idee der Zukunft;
frei vom Wunsch nach festem Boden
unter den in Wahrheit
doch so unsich'ren beiden Füßen.
Dieser eine Augenblick im Sommer:
wir, auf der Kennedybrücke;
ziellos im Moment versinkend;
ums uns herum und in uns drin
nichts als Sommerferien;
Sommerferien und
wir beide.

Montag, 15. Februar 2016

Du kotzt dich voll - dein Gott ist tot

Ich steh noch immer wie ein Bollwerk hier,
trotz den zwei Jahrzehnten abgefucktem Filme Schiebens;
trotz den zwei Momenten, schwankend an der Klippe, mit Blick in Richtung Abgrund;
trotz den beiden Engsten, die der Tod, der alte Bastard, sich einfach so geholt hat.

Die eine Hälfte weiße Mittelschichtsneurose:
der kopfgefickte Rattenschwanz, ganz hinten dran am Überfluss;
die Zeit und Freiheit an sich selbst zu scheitern, verschuldet durch
den Luxus, dass der Bauch nie leer- und das Bett stets warm sind -
die andere nebenbei geführter Überlebenskampf:
der Sisyphosversuch, wieder Herr im eigenen Haus zu werden,
bei dessen Scheitern sich Spital, wenn nicht gleich der Sarg androhn -
selbst zusammengenommen ergibt das auch nicht wirklich mehr, als halbherziges
Herummäandern, irgendwo zwischen verwöhntem Erste-Welt-Gejammer und seelischem Totalabsturz.

Kein Ziele oder Wünsche, nur der fieberhafte Zwang,
kein Teil von diesem schlechten Witz zu sein, den ihr euch da zusammenspinnt.
Viel Spaß euch noch beim Ackern gehn und Kinder kriegen,
mit bisschen Glück schafft ihr's vielleicht ja mal ins Fernsehn - oder sogar Eigenheim.

Mein letzter Grund nicht sofort Hinzuschmeißen, bleibt,
neben den meterlangen Speedlines, die, bei einem Augenblick Unachtsamkeit
sofort wieder auf Spiegel, Schreibtisch und CDs rumliegen,
die Verachtung für das Niedere im Menschen - alles Schwache, Schlechte, Ungerechte -
die eine allerletzte Hoffnung: am Ende doch noch Gott zu werden.

Gehe mittlerweile nur noch vor die Tür zwecks Bücherkauf und Clubbesuch,
Freundschaft oder Liebe zu fremden Abstrakta verkümmert, die, in etwa so gut greifbar
wie Platons bescheuerter Ideenhimmel, in Richtung Horizont verschwinden;

doch auf den Schultern von Giganten stehend, sieht das alles halb so wild aus,
hier oben bin ich zuversichtlich, selbst tausend Schicksalsschläge später -
weil immerhin nicht aufgegeben - weiterhin mit stolzgeschwellter Brust zu sagen:
Ich steh noch immer wie ein Bollwerk hier.

Samstag, 13. Februar 2016

L.F.S.

Draußen fällt weiterhin der Regen,
ich hör den Song, den du mir in einer der letzten Nächte, die du hier gewesen bist, gezeigt hast;
als du mal wieder mit kürbisgroßen Augen und bis auf die Socken nassgeschwitzt nach Hause kamst.
Auch wenn alles irgendwie in Scherben liegt, bin ich doch froh, sagen zu können, dieses Haus hier hat dir ein paar kurze Jahre als Refugium gedient;

jetzt bist du draußen, in der weiten Welt - sitzt ständig drauf in deiner kleinen Wohnung.

Ich weiß nicht, was irgendwann sein wird, doch, was für uns beide gleichermaßen feststehend bleibt, ganz egal, was noch geschieht, ist, dass das, was war, gut und richtig für uns beide war - bis zum Ende auch so bleibt:
In der gemeinsam geteilten Erinnerung, unserer letzten, wie gleichermaßen engstverwobensten Verbindung, laufen wir wankend durch die kalte Kleinstadtnacht, den zugedröhnten Kopf für einen Atemzug frei von Sorgen, den Verstand im Wahn auf halber Strecke irgendwo verloren, die Augen leer, bis auf die grelle Reflektion der übergroßen Vollmondkugel - und unser irres Lachen weckt die Rentner in der Siedlung auf.

Ich denke oft an dich, mein Kleiner - pass bitte auf dich auf.

Samstag, 6. Februar 2016

Freitagabend

Grüne Strahlen wirbeln am Himmel umher -
das heißt, entweder haben die Discotheken ihre Laser angeschaltet,
oder mein Hirn spielt mir schon wieder üble Streiche;

ist am Ende dann egal; die Erde löst sich auf, kapituliert vor dem erbarmungslosen Dauerregen;
Füße ertrinken in metertiefem Schlamm und aufgewühlt schwanken die Feldwege umher;
untermalt, einzig durch das alle paar Schritte aufleuchtende, erstickte Schreien

dieser widerlich ins Nichts starrenden, im Laternenlicht zitternd dahinflackernden Silhouette
des kranken kleinen Mannes, der, wie ein wildes Tier gejagt, den Körper hektisch vorwärts schiebt -
sich dunkel in Matschpfützen spiegelnd, im tiefen Schwarz der Nacht versinkt.

Donnerstag, 4. Februar 2016

Fazit

Wäre weiterhin gern mehr, als nur ein besessener Irrer,
der, sich die Nächte um die Ohren schlagend,
anstatt mal wieder vor die Tür zu gehen,

lieber einfältige Dreizeiler aneinanderreiht, so, als sei das Kunst
und mehr als der verzweifelte Versuch,
sich selbst in einem Bedeutungskontext wiederzufinden,

größer, als das Dorf, aus dem man kommt;
weiter, als die Felder vor der Tür -
immerfort, die einzige Option: der blinde Schritt ins Nichts.