Mittwoch, 22. Juni 2016

Das Ende des Friedens: Europameisterschaft

Die Langeweile frisst mich auf
Am Bertha ist die Hölle los
Menschen schwenken Flaggen
Bahn und Taxis stehen still

Der Bahnhofskiosk hat noch auf
Fünf Bier wandern in Richtung Rucksack
Der Nachtbus pumpt und schnaubt
Ein Betrunkener schläft schnarchend ein

Die erste Sommernacht des Jahres
Kurz prasselt Regen gegen Scheiben
Dann wieder stumme dichte Hitze
Bleiche Haut strahlt hell in kaltem Licht

Die dürren Beine viel zu lang
Bizarr unter dem Sitz verknotet
Freu mich fast schon auf mein Bett
Ganz so, als schlief ich nachts.

Dienstag, 7. Juni 2016

Hegel, Hybris, Heroin (38552)

Achtunddreißigtausenddreihundertachtzig meiner Worte
haben sich im Laufe dreier Jahre,
des Denkens und des Schreibens
(sowie des Liegens und des Schweigens),
langsam angesammelt,
zu einem Babel-Turm aus Elfenbein:
So weit das Auge reicht, kreisrund um mich herum gebaut;
ganz wie beim guten Hölderlin,
durchdringt kein Laut der Außenwelt die Mauern meines Denkens;
so hoch über den Dingen schwebend, raubt mir der Ausblick alle Sinne;
bleibt mir nichts als Staunen:
Staunen über die langsam zitternd sich abzeichnenden,
Funken schlagend den Horizont bildenden,
Grenzen dieser Welt - Grenzen meiner Selbst -
die Erkenntnis, dass beides einerlei zusammenfällt;
staunen über die wirren Formationen,
in denen ich euch von hier oben,
im Kreise laufen seh -
die Luft ist dünn, ich lach' sehr viel.
Und trotz all diesem Theater,
bin ich mir keinen Meter näher;
bloß mein Geist, dieser verdrehte,
zeigt dem Nicht-Ich einen Teil von sich -
expliziert sich hin zum Wir statt Ich -
ist mittlerweile, nimmt man jeden Satz,
und all seinen Verstand beisammen,
vielleicht sogar - zumindest grob vom Ansatz her -
verständlich?

Flucht in den Begriff

Wenn am Ende dann die Sonne sinkt,
siegt immer meine Traurigkeit,
zieht mich splitternackt zu sich hinab,
klemmt mich fest in ihren schneeweiß-mag'ren
Porzellanglasschenkeln,
hängt gierig sabbernd, voll eimerweise Schweiß,
ihre nasse Zunge tief in meinen Hals,
gräbt mit spitzen, scharfen Nägeln,
Hektar Ackerland den Rücken lang,
beißt sich triefend, blutverschmiert,
faustgroße Stücke raus aus meinem Fleisch,
fickt mich hart und heult dabei,
schläft dann leise atmend ein.

Samstag, 4. Juni 2016

Katzenjammer

Ich kann weder gerade denken, geschweige denn vernünftig schreiben
Vor dem Kopf ein Brett aus Holz, Splitter stechen tief ins Fleisch
Durch die Vorhänge fällt Licht, auf dem Nachttisch kalter Tee.

Donnerstag, 2. Juni 2016

Juni

Ich musste gerade unwillkürlich an Dich denken,
als ich mir ein Curry mit lächerlich viel Zwiebel
und noch mehr Knoblauch darin kochte,
anfangs war ich verärgert –
wohl wissentlich, dass so etwas
mir erstmal öfter noch passiert,
doch dann dacht ich mir: was soll's –
ich hoff einfach, Es geht Dir gut und
in ein paar Jahren schon –
die ja auch recht schnell vergeh'n –
steht man dann sowieso
noch mal gemeinsam hinterm Herd.
Bis dahin: halt die Ohren steif und
verhalt Dich bitte weiterhin
Deinem kleinen klugen Kopf gemäß.

Mittwoch, 1. Juni 2016

Stumme Exzitation

Die Stadt versinkt im Regen, wie das Hamburg eines Siegfried Lenz Romans
Die gegenüberliegende Wand aus dunkelgrünen Blättern zittert ruhelos im Wind
Der Balkon ragt, wie ohne Willen, weit ins Straßenbild hinein, bildet Seen aus Regentropfen
Der graue Himmel leuchtet hell, vermischt sich mit dem Rest der Welt
Drei Schwalben fliegen, seit dem frühen Morgen schon, in wirrer Formation
Die Kanalisation verschluckt zwei Menschen: einen Mann mit Hut und einen von der Feuerwehr
Das Bett und Ich verschmelzen langsam, wissen beide nicht so recht wohin.