Sonntag, 26. November 2017

Ebbe & Flut II

Die Wohnung war völlig zugeschimmelt. Ich kann mich derzeit meistens nicht bewegen. Demnach habe ich dann einfach auf dem Bett gelegen und wie eigentlich immer – nur jetzt ein wenig vorwurfsvoller – die neuerdings pelzigen Wände angestarrt.
Irgendwann war auch die Matratze angeschimmelt. Ich habe dann ein paar Wochen einfach weiter darauf rumgelegen. Und nur der Richtigkeit halber ist mein Kontostand im Minus, die Spüle voll mit dreckigem Geschirr.
Jemand musste mir dann Geld leihen und eine neue Matratze liefern lassen. Die alte liegt jetzt nutzlos in der Küche rum, versteckt in einem Glaspfandwald polnischer Bisongraswodkaflaschen.
Irgendwann habe ich mich, gütig, wie ich zu mir bin, entschieden, zumindest wieder zu essen – und bin, halsbrecherisch über Gebirgsketten aus Unrat kletternd, böse schwankend, über den Flaschenwald hinweggestolpert, die zugemüllte Spüle erfolgreich ignorierend, und vorsichtig auf die alte Matratze geklettert, die jetzt vor dem Herd rumliegt und auf der man stehen, um zu kochen muss, was eigentlich ganz nett ist, da das leichte darauf Hin- und Herwippen einem als allerletzte Freude bleibt.
Und auch wenn mein Denken derzeit stillsteht, mein Empfinden durchgefickt daliegt, lasse ich es mir nicht nehmen, in aller Seelenruhe zu kochen, mich an meinen riesigen Holzschreibtisch zu setzen und dort, durch die große Fensterfront hindurch, über die wirklich wichtigen Dinge sinnierend, die still und friedlich in Reih und Glied dastehenden Altbaufassadenreihen Bonns zu betrachten, und mir zu denken, dass ich in Wahrheit der klügste Mensch der Welt bin.
Nur das Stechen in der Lunge und die zwei, drei medizinballgroßen Ratten, mit den bösen roten Augen, – die stören mich ein wenig.