Montag, 13. November 2017

Glückliche Tage

Konstantin Alexander starrt die Wand an, während im Hintergrund der Kühlschrank brummt. Im Laufe des Tages haben sich Schweißseen auf seiner nackten Haut angesammelt. Vor dem Fenster tobt der Sommer, im Zimmer waltet Stille. Nur Von Zeit zu Zeit hört man Menschen im Flur flüstern.
Der Holzboden der Wohnung ist durchzogen von blutigen Rotweinflecken und irgendwo in der Ferne dröhnt gedämpft die Hupe eines jetzt nicht mehr allzu schnellen Schnellzugs: Ein Mann mit Hut hatte vergeblich versucht, noch bei Rot über die Gleise zu laufen. Der Hut liegt jetzt ein paar Meter neben den Schienen, in einer Böschung – der Mann überall.
Die Spüle ächzt unter verschimmeltem Geschirr, in der Ecke steht eine verwelkte Pflanze, alles begraben unter einer dicken Schicht aus Staub. Das Konzept der Zeit kondensiert an der Scheibe und den Wänden und läuft langsam Richtung rotgeflecktem Boden. Die Zimmerdecke beginnt, bedingt durch das Drücken der Sommerhitze, zu kochen, wirft behäbig Blasen, eruptiert als Raufasertsunami ungebremst in Richtung Boden. Und auch der Boden löst sich auf, lässt wie die Lavalampen, die man einst als Kind betrachtete, langsam rotgefärbte, wildgeformte Blasen in Richtung Zimmerdecke steigen, sodass sich irgendwie – wie so oft in meinen Texten und generell in meinem Denken – alle Dinge zu durchmischen scheinen: Die Hitze, der Staub, das Blut, die Einsamkeit.
Und irgendwann einmal war da ein Gedanke, den Konstantin zu denken wollen glaubte. Auf der Straße vor dem Haus schlendert eine Familie durch die Sonnenstrahlen. Die Kinder schreien und rennen umher, der Vater trägt einen Bart, die Mutter ist blond, sonst nichts. Konstantin wird schlecht. Sein Magen scheint zu leer, sich zu erbrechen – entscheidet sich dann aber um und lässt, wie ein organischer Miniaturspringbrunnen, schwallweise Schaum aus den Mundwinkeln auf die Matratze sprudeln. der sich mit den salzigen Schweißseen vermischt und kleine zarte Sturzbäche bildet, die dann in den Blutrotweinozean münden, welcher wiederum lavalampengleich nach oben steigend die gesamte brodelnde Zimmerdecke durchzieht. Alles voll von nackter Haut und Traurigkeit.
Plötzlich erinnert sich Konstantin: Heute ist mein Geburtstag. Er zuckt kurz mit den Schultern. Vor dem Fenster tobt der Sommer.